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Tag der Buße

Titel: Tag der Buße
Autoren: Faye Kellerman
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erstgeborenen Söhne. Eine Plage, die Gott aus Rache verhängte, weil der ägyptische Pharao befohlen hatte, jeden erstgeborenen jüdischen Sohn im Nil zu ertränken.
    Man glaubte, daß die erstgeborenen jüdischen Söhne Gott gehörten. Deshalb kauften die Familien diese Söhne in einer Zeremonie namens Pidjon Haben zurück. Das war kein sehr ausgeklügeltes Ritual. Wenn das Baby dreißig Tage alt war, gab die Familie einem Kohen ein symbolisches Geschenk, und der Kohen gab als Vertreter Gottes der Familie den Sohn zurück.
    »Also wissen Sie«, sagte Frieda, »daß jüdische Familien diese Zeremonie durchführen, außer die Familien, die zum Stamme Levi gehören, der auch die Kohanim, die Priester, einschließt. Levi’im müssen ihre Söhne nicht zurückkaufen, weil die Levi’im nie Sklaven in Ägypten waren.«
    Decker nickte.
    »Ich habe Ihren … leiblichen Vater nie standesamtlich geheiratet«, sagte Frieda, »aber nach jüdischem Recht galten wir als verheiratet. Deshalb bekam ich, als wir uns trennten, eine religiöse Scheidung. Geschiedene Frauen dürfen keinen Kohen, keinen Priester heiraten. Aber sie dürfen Männer vom Stamme Levi heiraten. Mein Vater bestand darauf, daß ich einen Levi heiratete, damit ich, falls mein erstes Kind mit meinem neuen Mann ein Sohn war, kein Pidjon Haben durchführen müßte und damit die Zeremonie entweihen würde. Alter Levine war gewiß nicht mein Traummann, Akiva. Aber Alter war ein freundlicher Mann, der mich sehr liebte. Und Alter war ein Levi. Also hab’ ich ihn geheiratet.«
    Sie zuckte die Achseln. Einen Augenblick schwiegen beide.
    Schließlich sagte Decker: »Wie haben Sie ihm das mit der Scheidung erklärt?«
    »Oh, das war nicht sehr schwer«, sagte Frieda. »Ich hab’ ihm einfach gesagt, ich sei schon mal verlobt gewesen, hätte bereits einen Tenujim – einen Ehevertrag – mit einem anderen Mann gehabt. Nach jüdischem Recht muß ein Paar, das einen Tenujim abschließt und sich wieder trennt, religiös geschieden werden, egal, ob es bereits verheiratet war oder nicht. Bis heute ist Alter immer noch der Meinung, er hätte eine unberührte Frau geheiratet. Und ich bin zu feige, es richtigzustellen.«
    »Das hat mit Feigheit nichts zu tun, Mrs. Levine«, sagte Decker. »Das ist Schalom Bejss – den häuslichen Frieden wahren. Was hätte das für einen Sinn? Ich bin sicher, daß Sie eine wunderbare Ehefrau waren, und Sie haben wunderbare Kinder großgezogen. Was gibt es da für ein Problem?«
    »Das Problem ist, daß es immer noch Täuschung ist. Und im Hinterkopf hab’ ich immer gewußt, daß ein Stück von mir fehlt, wegen dieser Täuschung. Wenn ich ihm – wenn ich allen – die Wahrheit eingestanden hätte, wäre ich schon ganz lange viel mehr ich selbst gewesen.«
    »Mrs. Levine, wenn Sie das so gequält hat, warum haben Sie dann nie versucht, mit mir Kontakt aufzunehmen? Ich stand auf der Liste des amerikanischen Adoptierten Verbandes. Sie hätten mich erreichen können, wenn Sie gewollt hätten. Warum haben Sie es nie getan?«
    »Ich hatte solche Angst, Akiva«, sagte Frieda. »Angst davor, was die Leute denken würden. Ein sehr oberflächlicher Grund, aber so war es nun mal. Und ich hatte sehr große Angst, von Ihnen zurückgewiesen zu werden.«
    Einen Augenblick herrschte Schweigen.
    »Vergeben Sie mir, Akiva?« sagte Frieda. »Vergeben Sie mir, daß ich so feige war?«
    »Es gibt nichts zu vergeben …«
    »Doch, es gibt etwas zu vergeben. Bitte vergeben Sie mir.«
    »Wenn Sie wollen, daß ich Ihnen vergebe, dann vergebe ich Ihnen.«
    »Akiva«, sagte Frieda, »wenn Sie mich schon nicht als Familienangehörige akzeptieren können, würden Sie dann meine Freundschaft annehmen? Wenn nicht wegen mir, dann wegen meiner Kinder. Sie haben Ihre Freundschaft verdient.«
    Decker zögerte lange. »Ich mag Ihre Kinder sehr gern. Wirklich. Aber …« Er zögerte erneut. »Mrs. Levine, das ist sehr schwer für mich. Es tut mir leid, aber ich glaube nicht, daß ich eine normale freundschaftliche Beziehung zu Ihren Kindern haben kann.«
    »Sie sind mit Ihnen blutsverwandt, Akiva. Und Ihre Tochter … sie ist auch mit mir blutsverwandt.«
    »Aber Ihre Kinder sind nicht meine Brüder und Schwestern im eigentlichen Sinne des Wortes. Und das können sie auch niemals sein. Das liegt an der vertrackten Situation. Wegen des Geheimnisses, das damit verbunden ist. Was meine Tochter betrifft … ich weiß es nicht … irgendwann vielleicht. Aber jetzt noch nicht. Und wenn
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