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Tag der Buße

Titel: Tag der Buße
Autoren: Faye Kellerman
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PROLOG
    Er schrieb den Namen Hank Stewart hin, starrte eine Weile darauf und beschloß, daß es ein guter Anfang war.
    Ein Anfang.
    Aber noch nicht ganz das Richtige.
    Er schrieb Dr. Hank Stewart. Dann: Dr. med. Hank Stewart.
    Ach verdammt, Ärzte waren doch nichts Besonderes. Im Grunde waren sie alle Arschlöcher, aufgeblasen und total von sich eingenommen.
    Also schrieb er Hank Stewart, Esq.
    Das strich er sofort wieder von der Liste. Rechtsanwälte waren noch größere Arschlöcher als Ärzte.
    Wie wär’s mit Hank Stewart, Atomphysiker.
    Oder Hank Stewart, Nobelpreisträger.
    Schön lächeln beim Fotografieren.
    Zum Teufel damit. Diese Art Ruhm war nur von kurzer Dauer. Vielleicht einmal ein Foto in der Zeitung. So’n Scheiß.
    Hank Stewart, CIA.
    Stewart – Superspion.
    Klang gut.
    Ach, das war albern. Kinderkram.
    Aber Kinderkram war immer noch besser, als Fisch zu verkaufen.
    Ich hätt gern ein Pfund Snapper.
    Yeah, Lady. Ich schieb’s Ihnen in den verdammten Arsch.
    Die alten Leute kauften immer Fisch, weil sie keine Zähne hatten, um Fleisch zu kauen. Die kamen an die Theke, bewegten die Lippen über ihren Gebissen und flüsterten das Wort »Snapper«. Dabei zitterten ihre Hände, und sie wackelten mit den Köpfen, als ob sie nicht richtig zusammengeleimt wären.
    Hinter der Theke zu arbeiten war das Schlimmste.
    Das Ausnehmen war ganz okay. Besonders wenn man das richtige Gefühl dabei entwickelt hatte und die Viecher einem nicht aus den Händen flutschten.
    Fische waren glitschige kleine Biester. Man kriegte den ganzen Schleim auf die Klamotten, und der Gestank ging nie wieder raus. Blieb einem nichts anderes übrig, als ’ne Zeitlang in stinkigen Klamotten zu arbeiten und sie dann in den Müll zu schmeißen.
    Oder sie dem Scheißkerl in den Briefkasten zu stopfen, der dir Streß gemacht hat.
    Wenn ihm jemand richtig Streß gemacht hatte, packte er auch noch ein paar Fischköpfe in die stinkenden Klamotten.
    Tja, die lieben Fische. Wie sie so im Eimer herumzappelten und einen mit glasigen Augen anguckten, als ob sie sagen wollten: »Erlöse uns von unserem Elend, Mann.«
    Zuerst hatte er’s genauso gemacht wie der Alte. Die Kiemen aufgeschnitten. Aber dann war ihm eine bessere Methode eingefallen. Er zertrat die Köpfe.
    Stampf!
    Das ganze Hirn spritzt raus.
    Das war auch okay. Aber das Beste war die Schwimmblase. Stich mit der Messerspitze hinein. Ganz, ganz vorsichtig. Sie ist empfindlich.
    Wabbel, wabbel, wabbel.
    Wenn man schnell genug war und die Spitze urplötzlich reinstieß, platzte die Blase.
    Aber das war auch Kinderkram. Alter Kram. Jetzt machte er andere Sachen als Schwimmblasen zum Platzen zu bringen. Und es lief richtig gut an, bis man ihn erwischen würde.
    Doch zum Teufel mit all dem Scheiß. Es hatte keinen Sinn, der Vergangenheit nachzuweinen. Lieber was für die Zukunft tun.
    Schließlich war er noch jung.
    Er schrieb Hank Stewart, Immobilienmakler.
    Wie der Typ, dem die ganzen Spielcasinos in Atlantic City gehörten. Mann, er hätte die große Auswahl an Mädels, wenn er reichlich Knete hätte.
    Hank Stewart, Millionär.
    Hank Stewart, Milliardär.
    Hank Stewart, Billionär.
    Aber das war auch albern. Geld war nicht alles. Es sagte nichts darüber aus, was man in der Unterhose hat.
    Hank Stewart, Zuchthengst.
    Aha!
    Hank Stewart, Rockstar. Haare bis zum Arsch, nur ’ne knallenge Jeans am Leib, und der Schweiß strömte seinen festen schlanken Körper hinunter. Die Mädchen liefen ihm nach, schrien sich die Lunge aus dem Leib und warteten nur darauf, daß er’s ihnen zeigte.
    Hank Stewart, König des Rock and Roll.
    Er zögerte einen Augenblick, dann schrieb er: Hank Stewart, König.
    König Stewart.
    Kaiser Stewart.
    Lord Stewart.
    Gott Stewart.
    Oder Gott allein reichte auch.

ERSTER TEIL
    Tefillah - Gebet

1
    Brooklyn.
    Nicht gerade die Flitterwochen, die Decker sich vorgestellt hatte.
    Zwölf aufreibende Monate, bevor er endlich wieder zwei Wochen Urlaub am Stück hatte, und da lag er nun allein in einem winzigen Gästezimmer mit Krämpfen in den langen Beinen, weil er in einem viel zu kleinen Bett geschlafen hatte. Der Rücken tat ihm weh, weil er auf einem hauchdünnen Ding gelegen hatte, das man irrtümlich als Matratze bezeichnete. Er hatte schon in Schützengräben kampiert, die größer gewesen waren als dieses Zimmer. Den größten Teil des Raumes nahm die ausziehbare Schlafcouch ein. Die übrigen Möbelstücke waren abgenutzt und so alt, daß sie als Antiquitäten
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