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Tag der Buße

Titel: Tag der Buße
Autoren: Faye Kellerman
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hätten durchgehen können. Dafür waren sie jedoch nicht gut genug. Rechts neben ihm stand ein verkratzter hölzerner Nachttisch mit einer Digitaluhr, die 10.42 Uhr anzeigte. Ihre Koffer waren auf einer alten Kiefernholzkommode gestapelt, auf der Teddybäraufkleber prangten. Die Sofakissen hatte man in die einzige freie Ecke des Raumes gestopft. An der Ostseite war in zwei winzigen Fenstern je ein viereckiges Stück grauer Himmel zu sehen.
    Die Honeymoon-Suite.
    Très charmant.
    Vor zwei Tagen hatte er sich noch Blasen an die Füße getanzt, gegrölt, bis seine Stimme ganz heiser war, und seine Stiefsöhne auf der Schulter herumgetragen. Es war ein wildes Fest gewesen – bis Mitternacht wurde getrunken und getanzt. Jetzt forderte sein Körper den Tribut dafür, daß er über die Stränge geschlagen hatte.
    Und die viel zu kleine Couch machte die Sache natürlich auch nicht gerade besser.
    Er kaute an seinen Schnurrbartenden, dann zog er sich die Decke über den Kopf.
    Es wird behauptet, daß Juden nicht viel trinken. Aber man sollte mal ultra-orthodoxe Rabbis bei einer Hochzeit erleben. Die schütteten den Schnaps wie Wasser in sich hinein. Decker hatte geglaubt, sein Vater könnte einiges vertragen, aber im Vergleich zu Rav Schulman war Dad ein Waisenknabe.
    Dad und Mom. Sie hatten in einer Ecke gesessen und sich nur gewundert. Cindy hatte versucht, ihre Großmutter zum Tanzen zu überreden. Rina hatte es tatsächlich geschafft, einmal mit Mom zu tanzen. Selbst Mom konnte die Braut nicht abweisen. Aber es war auch das einzige Mal geblieben.
    Aber immerhin waren sie gekommen. Eine große Überraschung und ein erster Schritt in die richtige Richtung. Sie mochten Rina, das spürte er sofort. Rina konnte jeden bezaubern, weil sie ein wirklich netter Mensch war. Seine Eltern brachten es allerdings nicht fertig, ihm einfach zu sagen, daß sie sie mochten. Immerhin hatte Mom zugegeben, daß Rina einen sehr anständigen Eindruck machte, wenn er schon unbedingt wieder eine Jüdin heiraten mußte. Ein sehr großes Lob. Dann hatte sie hinzugefügt, daß Rina es mit ihrem Glauben offenbar ernst meinte, auch wenn es der absolut falsche war.
    Randy hatte Rina auch gefallen. Aber sein kleiner Bruder mochte alle schönen Frauen, er war nicht gerade wählerisch. Decker hätte gern noch ein bißchen länger mit Randy geplaudert, über die Arbeit und so, doch er und Rina mußten ganz schnell weg, damit sie vor Beginn des Rosch ha-Schana in Brooklyn waren.
    Wie kam er dazu, seine Flitterwochen ausgerechnet in Boro Park zu verbringen? Er und Rina sollten in Hawaii sein und sich im Mondschein am Strand lieben. Zum Teufel, er hätte sich auch damit zufriedengegeben, zu Hause auf der Ranch zu bleiben – nur sie beide. Sam und Jake hätten sie über die Feiertage zu den Großeltern nach Brooklyn schicken können.
    Aber nein, nein, nein. Rina mußte die Eltern ihres verstorbenen Mannes besuchen. Das sah ihm ähnlich, daß er gleich zwei Paar Schwiegereltern bekam.
    Decker streckte sich, und seine Füße baumelten aus dem Bett.
    Zumindest waren ihre Ex-Schwiegereltern nett.
    Wir freuen uns sehr, daß Sie die Feiertage mit uns verbringen, hatten sie gesagt. Rosch ha-schana wird diesmal ein wunderbares Neujahrsfest werden, wo Rina und die Jungen und Sie bei uns zu Gast sind. Vielen Dank, daß Sie uns mit Ihrer Anwesenheit beglücken.
    Aber Decker konnte es kaum ertragen, ihnen in die Augen zu sehen. Er wußte, was sie dachten.
    Warum bist du nicht unser Sohn Yitzchak?
    Er fuhr sich mit den Händen durch die feuchten rotblonden Haare.
    Es mußte hart für sie sein. Der einzige Sohn tot, und er der Stiefvater ihrer Enkel.
    Decker wünschte, er wäre zu Hause. Hier schwirrten zu viele Geister herum.
    Die Uhr zeigte in leuchtenden Ziffern 10.45. Er hatte Rina nicht aufstehen hören, aber er wußte, sie würde ihn auf keinen Fall hier allein lassen. Vermutlich war sie in der Küche und half ihrer Ex-Schwiegermutter bei der Vorbereitung des großen Festtagsmahls.
    Seine Kleider waren nirgends zu sehen. Die hatte er sich letzte Nacht in stürmischer Leidenschaft vom Leib gerissen. Mit mühsam unterdrücktem Lachen hatten sie sich auf das wackelige Bett geworfen, in der Hoffnung, daß es nicht unter ihrem Gewicht zusammenbrechen würde.
    Hinterher hatte Decker sich gefragt, ob Rina sich wohl auch mit ihrem verstorbenen Mann in diesem Bett geliebt hatte. Aber er hatte diesen Gedanken für sich behalten.
    Als er sich schließlich hochrappelte,
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