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Tag der Buße

Titel: Tag der Buße
Autoren: Faye Kellerman
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Sohn ist wohl nur ein paar Jahre jünger als du. Er heißt Shimmy – ist sehr nett und sieht außerdem gut aus.«
    »So was fällt dir also auf.«
    »Ich bin religiös, aber nicht blind.«
    »Dann mußt du aber zumindest kurzsichtig gewesen sein, um mich zu heiraten.«
    »Du willst ja nur das Gegenteil hören«, sagte Rina. »Also schön. Ich finde dich umwerfend. Oder, wie man in Brooklyn sagt, umweäfend.«
    »Bin ich denn genauso umweäfend wie Shimmy?« fragte Decker.
    »Besser. Shimmy hat – genau wie du – Sinn für Humor. Ich denke, du wirst ihn mögen.«
    »Ich spüre schon den Beginn einer großen Freundschaft.«
    »Ach, hör doch auf.« Sie boxte ihn gegen die Schulter. »Jonathan, der jüngste Sohn von Mrs. Levine, ist – ob du’s glaubst oder nicht – ein konservativer Rabbi.«
    »Ein Rebell in ihrer Mitte.«
    »Du magst das ja ganz locker sehen, aber seinem Vater bricht es das Herz.«
    Decker schüttelte den Kopf. »Diese Art reaktionären Denkens ist mir unbegreiflich.«
    »Weil du nicht verstehst, was es für Jonathans Vater bedeutet. Konservative Juden glauben nicht, daß das mündliche Gesetz genauso wichtig ist wie das schriftlich niedergelegte. Deshalb darf ihrer Meinung nach das mündliche Gesetz – das uns heilig ist – vom Menschen verändert werden. Das ist ein entscheidender Bruch. Obwohl Jonathan in seinen Praktiken ziemlich traditionell ist, hat sein Vater das Gefühl, Jonathan hätte ihn und alles, woran er glaubt, zurückgewiesen.«
    »Siehst du das genauso?«
    »Ich stimme nicht mit Jonathan überein, aber ich weiß, daß er aufrichtig ist. Und obwohl ich Rav Levines Gefühle verstehen kann, tut Jonathan mir leid. Sein Vater spricht ganz demonstrativ nicht mit ihm – außer sie diskutieren über das jüdische Gesetz. Mrs. Levine setzt sich über seine feindselige Haltung hinweg und lädt Jonathan an allen Feiertagen zum Essen ein. Anfangs ist es schon ziemlich seltsam, wie der Vater Jonathan in der dritten Person anspricht. ›Könnte jemand Mister Levine bitten, mir das Fleisch zu reichen?‹ Immer Mr. Levine, nie Rabbi Levine. Mittlerweile ist es zu einer Art Witz geworden, aber ich weiß, daß Jonathan sich schrecklich dabei fühlt.«
    »Und ich hab geglaubt, es würde langweilig werden.«
    Rina lächelte. »Jonathans Mutter ist toleranter. Du wirst sie mögen, Peter. Sie und Mama Lazarus sind sehr gute Freundinnen. Eine ganz lebhafte Frau. Sie war viele Jahre Sekretärin am Strafgericht in Queens, hat immer gearbeitet, was sehr ungewöhnlich für eine orthodoxe Frau in ihrem Alter ist. Als Polizist hast du dir bestimmt eine Menge mit ihr zu erzählen.«
    »Ja, wir können uns über Arschlöcher unterhalten.« Decker lächelte. »Entschuldige, über Bösewichte.«
    »In der Hinsicht mußt du dich zusammenreißen.«
    »Kein Problem, Honey«, sagte Decker. »Ich hab ohnehin nicht vor, viel zu sagen.«
    »Ich weiß, daß es hart für dich ist«, sagte Rina. »Soviel hat sich in den letzten Jahren verändert.«
    »Wohl wahr, Frau, wohl wahr.«
    Rina zögerte einen Augenblick, dann flüsterte sie: »Bist du glücklich?«
    »Überglücklich.«
    Rina bemerkte seinen unbewegten Gesichtsausdruck. »Ich mein das ernst.«
    »Ich auch.« Decker nahm ihre Hand. »Ich versichere dir aus ganzem Herzen, ich könnte nicht glücklicher sein. Ich bin so froh, mit dir verheiratet zu sein.«
    »Gut«, sagte Rina, wirkte jedoch immer noch besorgt. »Bist du gern ein strenggläubiger Jude?«
    »Ich wäre nicht konvertiert, wenn ich es nicht gern wäre«, sagte Decker.
    »Du bist nicht konvertiert.«
    »Jetzt betreibst du Haarspalterei.«
    »Das stimmt«, sagte Rina.
    Streng genommen war er nicht konvertiert. Seine leibliche Mutter war Jüdin, was ihn nach hebräischem Gesetz ebenfalls zu einem Juden machte.
    Doch da er schon als Baby adoptiert worden war, hatte er sich immer als Produkt seiner wirklichen Eltern betrachtet – der beiden Menschen, die ihn aufgezogen hatten. Und die hatten ihn baptistisch erzogen.
    »Du bist ein Schatz, Peter«, sagte Rina. »Jemand, auf den man sich verlassen kann. Ich werde dich für alles entschädigen.«
    Decker spürte, wie seine Hose enger wurde. »Ich nehm dich beim Wort.«
    Sie küßte ihn auf die Nasenspitze. »Noch Kaffee?«
    »Nein, danke«, sagte Decker. »Ich würd ganz gern einen Spaziergang machen. Hast du Lust mitzukommen?«
    »Liebend gern«, sagte Rina. »Aber es gibt immer noch einen Haufen Arbeit in der Küche.«
    »Viel Spaß.«
    »Ebenfalls.
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