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Tag der Buße

Titel: Tag der Buße
Autoren: Faye Kellerman
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jeder eine Therapie. Es geht hier nicht um eine Eheberatung, sondern es geht um eine furchtbare Streßsituation, die wir durchgemacht haben und verarbeiten müssen …«
    »Schon gut, schon gut!« Decker richtete sich auf, was einen stechenden Schmerz in seiner Brust auslöste. »Ich hab’ ein gutes Gespräch mit meinem Bruder gehabt. Er hat gesagt, ich soll zu einem Psychofritzen gehen. Nicht daß Randy die Weisheit mit Löffeln gefressen hätte, aber ich glaube, er ist selbst ein paarmal bei einem gewesen, und es hat ihm geholfen.« Er stellte das Kopfteil des Bettes niedriger, bis er halbwegs bequem lag. »Also um dir und meinem Bruder einen Gefallen zu tun, werd’ ich zu einem gehen. Zufrieden?«
    Rina küßte ihn und sagte, sie sei sehr zufrieden.

30
    Frieda Levine hob die Hand, um anzuklopfen, doch dann zog sie sie abrupt an ihren Busen zurück.
    Sie hatte sich alles im Kopf zurechtgelegt. Akiva war kein sentimentaler Typ, also kam theatralisches Getue nicht in Frage. Sie würde sich höflich verhalten und die Selbstachtung wahren, und – was das Wichtigste war – sie würde zuhören, wenn er redete. Egal wie schmerzlich seine Worte sein würden, sie würde ihm zuhören.
    Wenn er es vorzog, daß sie redete, würde sie ihm den Zweck ihres Besuches erklären – den aufrichtigsten Dank ihrer Familie zu überbringen und für sich persönlich um Verzeihung zu bitten.
    Und die ganze Zeit würde sie ihre Gefühle unter Kontrolle haben.
    Wenn er mehr wollte – falls das tatsächlich passieren sollte –, dann würde sie ihn natürlich genauso in der Familie willkommen heißen, wie sie ihn bereits in ihr Herz geschlossen hatte.
    Es war jedoch gefährlich, zu viel zu hoffen. Alles war offen, also ging man am besten Schritt für Schritt vor.
    Als sie klopfte, ging die Tür ein kleines Stückchen auf. Vorsichtig blickte Frieda durch den schmalen Spalt nach drinnen.
    »Kommen Sie herein, Mrs. Levine«, sagte Decker. »Machen Sie die Tür zu und setzen Sie sich.«
    Er stellte das Kopfteil des Bettes höher und betrachtete die Frau, der er die Hälfte seiner Gene verdankte. Sie trug eine graue Tweedjacke, eine rote Bluse und einen schwarzen Faltenrock, dazu schwarze Strümpfe und bequeme flache Schuhe. Um den Hals hatte sie einen rot-schwarzen Wollschal. Ihre Perücke war gerade geschnitten und mit grauen Strähnen durchsetzt, ihre Augen lagen hinter einer Hornbrille. Sie hatte eine schwarze Schultertasche bei sich. Die einzige Spur von Make-up, die Decker erkennen konnte, war ein bißchen Rouge auf jeder Wange.
    Sie machte einen korrekten Eindruck – sehr professionell.
    Frieda setzte sich und hängte den Schal und die Handtasche über die Stuhllehne. »Es ist sehr nett, daß Sie mich empfangen.«
    »Ich möchte mich bei Ihnen bedanken, daß Sie mir Blut gespendet haben«, sagte Decker.
    »Das …« Ihre Kehle war wie zugeschnürt. Nein, so würde es niemals gehen. Sie räusperte sich. »Lassen Sie mich mal sehen. Wo soll ich anfangen. Meine Familie …«
    Sie hielt inne, weil sie merkte, daß sie heiser war, und räusperte sich erneut.
    »Möchten Sie ein Glas Wasser?« fragte Decker.
    »Nein danke, Akiva. Es geht schon.«
    Decker wartete darauf, daß sie weiterredete. Sie griff nach ihrer Tasche und zog einen weißen Briefumschlag heraus.
    »Das hier ist von Ezra«, sagte sie, »und natürlich auch von Breina. Irgendwann … wenn Sie dazu in der Lage sind, würden sie gern persönlich mit Ihnen reden. Sich persönlich bei Ihnen bedanken …« Sie nahm zwei weitere Briefumschläge heraus. »Der hier ist von … mal sehen …« Sie drehte den Umschlag um. »Der ist von Shimmy und der hier von Yonasan. Wir reden nicht nur viel, wir schreiben auch viel.«
    Sie lächelte schwach.
    Decker bedankte sich und nahm die Umschläge. Sie waren dick, mindestens vier oder fünf Blätter drin. Er legte die Briefe auf den Nachttisch.
    »Die Mädchen … Miriam und Faygie … möchten sich auch bedanken.« Frieda spürte, wie ihr Tränen in die Augen traten, wandte den Kopf ab und räusperte sich zum vierten Mal. »Die Mädchen wollten einen Kuchen für Sie backen.«
    Decker lächelte.
    Frieda lachte nervös. »Ich hab’ gesagt, das wär’ Unsinn, Ihnen vor Jom Kippur einen Kuchen zu schenken. Besser hinterher. Wenn’s Ihnen recht ist, schicke ich ihn morgen abend mit Rina mit.«
    »Gern«, sagte Decker.
    »Oder ich kann ihn auch selbst vorbeibringen, wenn Sie wollen?«
    Einen Augenblick herrschte betretenes Schweigen.
    »Wie
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