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Täglich frische Leichen

Täglich frische Leichen

Titel: Täglich frische Leichen
Autoren: Carter Brown
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gibt gar keine Krokodile auf Hawaii.«
    »Na ja«, ich lächelte ihn an, »wo
man sonst Krokodile eben jagen kann, dort hat er sich’s geholt. Rafael!« Ich
wagte nicht, ihn dabei anzuschauen. »Am besten trägst du George zum Wagen
zurück.«
    »George?« zischte Rafael.
    Ich wies mit spitzem Finger auf
den Leichnam.
    » Por dios !« murmelte er. »Das doppelte Honorar, habe
ich gesagt!« Aber immerhin bückte er sich, hob den Toten auf und beförderte ihn
zum Wagen.
    Der Wanzenbart sah aufmerksam
zu, weshalb ich es für angebracht hielt, ihn abzulenken. Ich zog den Rock hoch
und lächelte ihn wieder an. »Ob Sie mir vielleicht sagen könnten... habe ich
eine Laufmasche im Strumpf?«
    Flugs verfügte er sich wieder
auf Knie und Hände, um das aus nächster Nähe zu überprüfen; er war wirklich ein
Mann, der seine Aufgaben sehr ernst nahm. Nach etwa einer halben Minute erhob
er sich widerstrebend. »Nein«, sagte er bedauernd, »jedenfalls kann ich keine
finden.«
    »Dann hab’ ich wohl auch
keine«, erklärte ich ihm. »Jedenfalls besten Dank. Es war nett, Sie
kennenzulernen.« Ich drehte mich um und ging zum Wagen, so schnell mich meine
Füße trugen.
    Als ich dort ankam, hatte
Rafael unseren Fahrgast wieder im Kofferraum verstaut. Wir stiegen in den
Thunderbird.
    »Der Kerl ist verrückt«, sagte
ich.
    »Dieser Ansicht bin ich auch,
Chiquita«, meinte Rafael. »Und das ist sein Glück, sonst wäre er nämlich jetzt
tot. Einen Zeugen mit gesundem Menschenverstand können wir uns keinesfalls
leisten.«
    Er ließ den Motor an, und im
gleichen Augenblick fühlte ich etwas über meine Wange krabbeln. Mein Kopf fuhr
herum — und beinahe hätte ich dem Wanzenbart die dicke Brille von der Nase
gestoßen.
    »Entschuldigen Sie«, sagte er
höflich. »Ich bin eben ein bißchen neugierig. Aber fährt Ihr Freund immer im
Kofferraum?«
    »Gewiß doch«, sagte ich nervös.
»Sie sehen doch, daß man zu dritt nebeneinander in so einem Sportwagen keinen
Platz hat. Wo sollte er sonst hin?«
    Die Augen hinter den dicken
Gläsern weiteten sich. »Welch ein außergewöhnliches Land«, murmelte er. »Jetzt
bin ich erst seit drei Tagen hier und habe schon einen Mann kennengelernt, der
Indianern das Reiten fürs Fernsehen beibringt. Gestern traf ich ein Mädchen,
das in einem Nachtkabarett arbeitet — Mörser und Stößel mache sie da, ich kann
mir wirklich nicht denken, was das für einen Zweck haben soll.« Er schüttelte
langsam das bärtige Haupt. »Und heute lerne ich eine Dame kennen, die mich
bittet, ihre Strümpfe auf Laufmaschen zu untersuchen, und einen Krokodiljäger,
dem alle Haare auf einmal ausfallen und der im Kofferraum fährt.« Er blinzelte
mich an. »Ob Kolumbus wohl gewußt hat, was er da anrichtete?«
    Rafael ließ den Motor auf
heulen, und der Wagen schoß davon, derweil der Wanzenbart immer noch stand und
den Kopf schüttelte. Zehn Minuten lang sagte ich kein Wort, weil ich ganz
einfach nicht dazu kam. Aber dann versiegte endlich der sprudelnde Strom
spanischer Worte, und Rafael versank in zornbrütendes Schweigen.
    »Na ja«, meinte ich, »woher
hätte ich denn wissen sollen, daß dieser Kerl auf der anderen Seite der Düne
hockte?«
    »Es ist schon nach fünf«, sagte
er. »Wir fahren zurück in euer Büro. Johnny Rio dürfte jetzt dort sein.
Vielleicht weiß er, was ich mit dem Toten anfangen soll.«
    »Tu das nicht, bitte«, sagte
ich. »Du brauchst Johnny deswegen nicht zu behelligen. Ich bin überzeugt, daß
mir ganz schnell eine Lösung einfällt.«
    »Davon bin ich auch überzeugt,
Mavis«, entgegnete er ingrimmig. »Und aus diesem Grunde fahren wir geradewegs
ins Büro. Wenn ich mir nämlich noch einen weiteren von deinen Vorschlägen
anhöre, dann muß ich statt einer gleich zwei Leichen loswerden!«
    Danach sprach ich für den Rest
der Fahrt natürlich nicht mehr mit ihm. Als ob das etwa meine Schuld gewesen
war, daß dieser haarige Mensch sich am Strand herumgetrieben hatte! Aber so ist
das eben mit Männern wie Rafael. Nur weil man eine Frau ist, schieben sie einem
alle Schuld in die Schuhe.
    Wir stellten den Wagen in der
Tiefgarage unseres Bürohauses ab. Der Lift beförderte uns hinauf. Ich öffnete
die Tür und ging zuerst hinein — was ein Fehler war, denn drin saß Johnny Rio,
wartete auf mich und war bitterböse. Ich merkte das auf Anhieb, weil er nämlich
mit dem Terminkalender nach mir warf. Zum Glück sah ich das Buch noch
rechtzeitig kommen, duckte mich — und es flog Rafael genau auf
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