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Täglich frische Leichen

Täglich frische Leichen

Titel: Täglich frische Leichen
Autoren: Carter Brown
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passiert?«
    »Er hatte recht. Ein Attentäter
war in den Garten eingedrungen.«
    »Hast du ihn erwischt?«
    Er blies eine schwarze
Rauchfahne zur Decke und gab sich Mühe, bescheiden dreinzublicken. »Das fragst
du noch?«
    »Aber wenn du ihn erwischt
hast, wo drückt dich dann noch der Schuh?« fragte ich.
    »Ich habe meine Erfahrungen mit
der amerikanischen Polizei«, erwiderte er langsam. »Sie ist sehr fähig — und
sehr ehrlich. Man kann ihr nur Gutes nachsagen. Aber andererseits besteht sie
unangenehm hartnäckig auf gewissen Formalitäten. Sie verlangt Erklärungen,
Aussagen, läßt von verschiedenen Beamten ermitteln... und dann käme noch die
Publicity, die uns mehr als unangenehm wäre.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nun
mal hübsch langsam. Im Augenblick komme ich nicht ganz mit.«
    »Aber begreifst du denn nicht
meinen Kummer?« sagte er bedrückt. »Du mußt mir helfen, ihn loszuwerden — ich
zahle das Doppelte von dem, was ihr gewöhnlich als Honorar verlangt. Du kennst
dich in Los Angeles aus, du kannst mir eine Stelle nennen, einen hübschen
ruhigen Platz, wo kein Mensch etwas merkt...«
    »Der Groschen fällt noch immer
nicht«, erklärte ich.
    »Ich kann doch die Polizei
nicht um Rat angehen«, knurrte er. »Soviel ist doch wohl klar? Also — was sonst
soll ich tun? Ich kann ihn nicht behalten, ich kann ihn nicht verkaufen, ich
kann ihn nicht mal verschenken. Also muß ich ihn loswerden — mit deiner
freundlichen Hilfe.«
    »Was loswerden?« schrie ich.
    »Die Leiche, was denn sonst?«
schrie er zurück.
    »Die Leiche?« Das Wort blieb
mir im Halse stecken. »Soll das heißen, du hast den Attentäter umgebracht?«
    »Na klar. Es war ein guter
Schuß.« Er schien recht selbstzufrieden. »Das Büchsenlicht war schlecht, und er
war mindestens fünfzig Schritt von mir entfernt, als ich abdrückte... na ja,
vierzig Schritt, aber wirklich mindestens. Meine Hand hat nichts von ihrer
Sicherheit eingebüßt.«
    Ich stemmte beide Ellbogen auf
Johnnys Schreibtisch und vergrub das Gesicht in den Händen. »Du bist aus dem
Haus gegangen und hast den Mann umgelegt — ganz einfach so?«
    »Einen Attentäter«, sagte er
schlicht.
    »Und du glaubst, daß ich dir
helfe, einen Leichnam loszuwerden?« Der Gedanke raubte mir fast die Sprache.
»Meinst du, ich habe Stroh im Kopf?«
    »Woher soll ich das wissen?«
    »Ich will Ihnen mal was sagen,
Señor Vega«, erklärte ich hitzig. »In einer Stadt namens Corona gibt es ein
nettes ruhiges Heim für Frauen und Mädchen. Wenn ich dir helfe, den Toten zu
verstecken, dann verbringe ich wahrscheinlich den Rest meiner Tage dortselbst!«
    »Willst du damit sagen, daß du
mir nicht hilfst?« fragte er ehrlich überrascht.
    »Genau das«, antwortete ich.
»Und mein Entschluß steht felsenfest. Davon kann mich nichts auf der Welt
abbringen.«
    Was mußte ich auch meinen Mund
so weit auf reißen! Binnen zwei Sekunden hielt er mich in den Armen und drückte
mich rückwärts über die Schreibtischkante. Jede Sekretärin weiß, daß man sich
in solcher Lage nicht auf Diskussionen einlassen kann.
    Rafael küßte mich, und ich kam
mir vor, als hätte ich gerade die nächsten Olympischen Spiele eröffnet. Ich
hielt die Fackel in der Hand, und er hatte sie in Brand gesetzt. Und dann war’s
wie beim Fußball. Unwiderstehlich dribbelte er mit dem Ball davon — aber dann
ließ er mich urplötzlich los. Ich blieb perplex auf dem Schreibtisch liegen und
sah zu ihm auf. Ich hatte nicht mehr die Kraft, einen Finger zu rühren, und mir
war, als schwimme ich auf Wattewolken durch ein Nebelmeer.
    »Chiquita«, sagte er heiser.
»Fühlst du nicht, wie sehr wir zusammengehören?«
    »Wenn du’s sagst«, hauchte ich.
    »Du darfst mich in der Stunde
der Not nicht verlassen«, flüsterte er. »Du wirst mir helfen, nicht wahr?«
    »Ja«, erwiderte ich im gleichen
Flüsterton. Mein Verstand muß sich in diesem Augenblick wohl entrüstet von mir
abgewandt haben und irgendwohin ins Exil geflohen sein.
    » Olé !«
Er rieb sich geschäftig die Hände. »Dann nichts wie ran! Es war vormittags
schon so heiß und vorhin erst recht; außerdem ist die Luft recht feucht,
scheint mir.«
    »Was hat denn das Wetter damit
zu tun?« fragte ich, derweil ich mich vom Schreibtisch aufrappelte und den
Rocksaum dorthin zu schieben trachtete, wo er von Rechts wegen hingehörte.
    »Der Tote liegt im Kofferraum
meines Wagens, zusammen mit einer Schaufel, die ich mir geborgt habe«, erklärte
Rafael beiläufig. »Und
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