Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Täglich frische Leichen

Täglich frische Leichen

Titel: Täglich frische Leichen
Autoren: Carter Brown
Vom Netzwerk:
vernünftig. Also
los, steigen wir aus.«
    »Was heißt denn >wirfragte ich scharf.
    »Wenn du vielleicht doch etwas
übersehen hast, Chiquita«, sagte er und lächelte hinterhältig, »beispielsweise,
daß die Stadtpolizei ihren Betriebsausflug heute irgendwo hier am Strand
veranstaltet, dann möchte ich dich gern ganz dicht bei mir haben. Die Idee
stammt von dir, und du sollst unbedingt miterleben, was dabei herauskommt.« Er
beugte sich herüber und öffnete meine Tür. »Aussteigen!«
    Also stieg ich aus. Eine andere
Wahl blieb mir ja doch nicht. Sehr wohl war mir freilich nicht zumute, denn an
so etwas wie den Betriebsausflug hatte ich wirklich nicht gedacht.
    Rafael sah sich noch einmal um,
dann öffnete er den Kofferraum.
    Es lag wirklich ein Toter drin,
genau wie er gesagt hatte — aber nun war dieser ganze Alptraum für mich
erstmals greifbare Wirklichkeit. Der Mann war Mitte Fünfzig und recht
ordentlich angezogen: grauer Anzug, weißes Hemd, braune Seidenkrawatte.
    Er hatte einen hübschen
Bürstenhaarschnitt und eine Glatze. Genauer: Die Bürste war eine Perücke und
ihm über ein Ohr gerutscht, wodurch sein blanker Schädel glänzte wie die Tugend
eines Filmstars an dem Abend, an dem die Oscars verliehen werden.
    »Er sieht aber gar nicht wie
ein Attentäter aus«, meinte ich leicht nervös.
    » Caramba !« brummte
Rafael. »Wie soll ein Attentäter denn aussehen?«
    »So wie du«, erklärte ich kühl.
»Wieso sind denn seine Knie so verrenkt?«
    »Wie hätte ich ihn sonst in den
Kofferraum packen sollen? Hier, nimm die Schaufel.«
    Rafael bückte sich und schaffte
es mit viel Geächze und Gebrumme, den Toten aus dem Kofferraum zu heben und
sich aufzurichten. Ich ging bis ans Wasser, keine Menschenseele war zu sehen.
Ich begann zu graben, während Rafael die Leiche gegen eine kleine Düne lehnte.
Da saß sie, die Knie hochgezogen, beide Hände vor der Brust gekreuzt, als wolle
sie noch um etwas bitten.
    »Nun beeil dich schon«, drängte
Rafael.
    Ich sah ihn durchdringend an,
aber offenbar waren ihm seine Kavalierspflichten im Augenblick entfallen. Und
ehe ich das Ganze um eine aufwendige Diskussion verlängerte, hob ich lieber
eine flache Grube aus — im Handumdrehen, denn schwächlich bin ich gerade nicht.
Rafael schleifte den Leichnam herbei, und wir fingen an, ihn zuzuschaufeln.
    Da ertönte plötzlich hinter uns
eine Stimme: »He!« Mir wäre ums Haar das Herz in die Hose gerutscht.
    Ich wandte mich langsam um,
ganz gegen meine Willen, und erblickte den Menschen, der mir solch einen
Schrecken eingejagt hatte. Er war lang und hager und hatte einen Besuch beim
Friseur notwendig, sowohl der Haare als auch des Bartes wegen. Der Bart war
zehn Zentimeter lang und bedeckte sein ganzes Gesicht, dazu trug er die dickste
Hornbrille, die ich je gesehen hatte. Auf Händen und Knien kroch er an unseren
Toten heran und beäugte ihn ausführlich.
    Rafael sah mich an, und seine
Lippen bewegten sich lautlos. Ich war froh, daß er nicht zu verstehen war, denn
ich konnte es mir schon denken, und »Chiquita« war es gewiß nicht. Dann tauchte
seine Rechte hinters Revers, und mir fiel ein, daß er seine Pistole in einer
Schulterhalfter zu tragen pflegt. Weil ich nicht noch eine Leiche wollte, schob
ich mich hastig zwischen ihn und den behaarten Störenfried.
    Der Kerl sah uns an und
lächelte. »Ich muß schon sagen«, verkündete er mit sehr englischem Akzent, »Ihr
Freund hier scheint sehr krank zu sein — oder sonstwas .
Was für ein amerikanisches Gesellschaftsspiel ist denn das?«
    Er stand auf und schenkte
Rafael ein leutseliges Lächeln. »Ich will mich ja nicht einmischen, wissen Sie,
aber ich glaube, Sie sollten ihn nicht hier lassen, mein Freund. Das bekäme ihm
bestimmt nicht, in seinem Zustand. Er bringt ja kein Wort heraus und fühlt sich
ganz kalt an.«
    »Wo kommen Sie denn her?«
fragte Rafael mit Mord in der Stimme.
    »Von der anderen Seite der
Düne«, erklärte der Wanzenbart gugelaunt . »Ich war
mal kurz in den Pazifik getaucht, wissen Sie, dann muß ich eingedöst sein. Ich
glaube wirklich, Sie sollten etwas für Ihren Freund tun.« Er betrachtete den
Leichnam nochmals gründlich. »Du lieber Gott!« entfuhr es ihm. »Er hat ja seine
Haare verloren — alle auf einmal.«
    Ich stieß Rafael mit dem Ellbogen
kräftig in die Rippen. »Das ist eine Tropenkrankheit«, sagte ich rasch. »Er hat
sie sich auf Hawaii geholt, als er Krokodile jagte.«
    Er betrachtete mich
verständnislos. »Aber es
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher