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Manta 02 - Orn

Manta 02 - Orn

Titel: Manta 02 - Orn
Autoren: Piers Anthony
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I Orn
     
    Orn wachte erschöpft auf. Er fror und fühlte sich irgendwie klebrig. Seine Muskeln waren nicht voll leistungsfähig. Er konnte sich nicht erinnern, wie er hierher gekommen war, aber er wußte, daß er es sich nicht leisten konnte, seiner Verwirrung freien Raum zu lassen.
    Irgend etwas stimmte nicht. Er hob den Kopf und öffnete mit einiger Anstrengung seine verklebten Augen. Zuerst tat ihm die Helligkeit weh, wurde dann aber zu einem glanzlosen Leuchten, als sich seine sensitiven Augen selbst schützten. Er befand sich in einer Höhle, und es herrschte Dämmerlicht: der Anfang oder das Ende eines Tages. So viel begriff er, als er sich an den unbelebten Kreislauf erinnerte.
    Er lag in verkrümmter Haltung auf kaltem Stein. Schwerfällig zog er vier klebrige, ungelenke Glieder unter dem Körper hervor, stellte sich dann mit größerer Zuversicht auf zwei.
    Ja, im allmählich heller werdenden Licht nahm er den ebenen Boden und die natürlich gewellte Decke wahr, die hinter ihm in die Dunkelheit abfielen. In unmittelbarer Nähe befand sich ein großer Haufen von vertrockneten Halmen: ein Nest, in dem ein einzelnes monströses, längliches Ei und die klebrigen Bruchstücke eines anderen lagen.
    Behutsam stieß Orn das vollständige Ei an. Kalt - hier würde nichts ausschlüpfen. Dahinter befanden sich Steine und Knochen und andere Überreste unbestimmten Ursprungs. Alles war tot.
    Unsicher ging er dem Licht entgegen, wobei er den verstreuten Gliedmaßen, Exkrementen, Zähnen und den vertrockneten Blättern und Ästen auswich, die den
    Weg säumten. Die Anstrengung erwärmte seinen Körper, und er begann, sich besser zu fühlen. Aber während sich seine physische Verfassung besserte, schien sein Geist zurückzugleiten und die Orientierung zu verlieren. Seltsame Visionen durchzogen sein Bewußtsein, unglaubliche periphere Erinnerungen, die nicht seine eigenen sein konnten und die sich verflüchtigten, als er sich ihrer bewußt wurde.
    Er entspannte sich, versuchte nicht, den Zuckungen seines Hirns auf den Grund zu gehen, und trotzdem traten die Bilder absurderweise jetzt ganz scharf hervor.
    Erinnerung...
    Sie begann weit, weit zurück in der Dämmerung, als es feuchter und wärmer gewesen war als heute. Er trieb dahin in einem nährenden Ozean und nahm alles, was er brauchte, durch seine poröse Haut auf. Er strebte dem Licht entgegen, hundert Millionen Jahre später, zuckte jedoch zurück, verbrannt und mit der Erkenntnis, daß es zu grausam war, um sich ihm zu nähern. Er mußte warten, mußte sich anpassen, und das war nicht einfach. Er blieb, wo er war, und verzehrte, was er konnte, und langsam, sehr langsam, über einen Zeitraum von einer Milliarde Jahre, wuchs seine Körpermasse. Aber irgendwie wurde sein Hunger umso stärker, je größer er wurde. Er konnte nicht genug Nahrung bekommen. Niemals genug, niemals genug.
    Die eigenartige Erinnerung verblaßte, als er um die Ecke bog und im helleren Licht vor dem Höhleneingang stehenblieb. Grünes Unterholz und das intensive Grauweiß des Himmels lagen vor ihm. Es war Morgen: nicht die dunstige Dämmerung vor zwanzig Millionen Jahren, sondern ein eisiger, nüchterner Sonnenaufgang.
    Der Leichnam eines mächtigen Vogels lag mit gespreizten Beinen vor dem Höhleneingang. Aufgerichtet wäre er groß genug gewesen, um die Decke zu berühren, er hatte einen dicken, leicht gebogenen Schnabel, Stummelflügel und scharfe hervorstehende Krallen. Unter den zerzausten grauen Federn waren die langen, starken Oberschenkelmuskeln noch immer angespannt, so als ob er gerannt wäre oder gekämpft hätte, als der Tod ihn ereilte. Der kräftige Hals war verdreht, so daß der Kopf starr zur Seite blickte. Getrocknetes Blut besudelte das untere Gefieder. Ein Auge starrte in die Sonne. Das austrocknende Gewebe hatte den Augapfel bereits schrumpfen lassen. Einstmals stolze Schwanzfedern lagen abgebrochen im Schmutz. Ein verzweifelter Kampf hatte stattgefunden, und der Vogel hatte verloren. Aber der Sieger war nicht lange genug geblieben, um das Fleisch zu verzehren. Auch das war seltsam.
    So schnell wie er alle Dinge seiner Umgebung identifizieren konnte, stellte er fest, daß der Vogel weiblich war. Orn spürte ein unbestimmtes Alarmgefühl, als er den Leichnam ansah. Er stellte keine Mutmaßungen über die Bedeutung seines Erwachens neben dem verlassenen Nest dieser Kreatur an und fragte sich auch nicht, was sie vernichtet hatte. Statt dessen forschte er in seiner verwirrten
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