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Surf

Surf

Titel: Surf
Autoren: Daniel Duane
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ehe sie über die Felsenriffe schwappten – feinere, redigierte Versionen grober Pazifikentwürfe. In der Zeit zwischen 10 und 14 Uhr waren die meisten Kinder in der Schule, und die Frühaufsteher-Truppe der Surfer hastete zur Arbeit, sodass jetzt nur noch der harte Kern am Kliff herumlungerte und im Wasser ein paar freundlich wirkende Typen, die miteinander plauderten, sich gegenseitig nass spritzten, über andere beschwerten. Aber nicht gehässig, was mich freute, denn ich war aus der Übung. Es waren alles Erwachsene, wie mir auffiel: nicht gerade im Rentenalter, aber Erwachsene, die zuschauten, wie ein paar Pelikane das glasglatte, klare Wasser überflogen. «Surfbretter, kleine Boote und Tiere», schreibt Willard Bascom, «können aus der Welle die Energie zur Fortbewegung beziehen, indem sie die Vorderseite der herankommenden Welle hinabgleiten … Der Trick beim Wellenreiten ist natürlich, das Brett in Bewegung zu setzen und das Gewicht so zu balancieren, dass die Welle selber die Arbeit übernimmt, wenn sie unter ihm durchrollt.» Energie beziehen? Aber klar. Wenn die Welle herankommt, zum höchsten Punkt kraulen, schnell wenden und anpaddeln, spüren, wie das Brett von allein zu gleiten beginnt, mühelos aufspringen, ohne die Balance zu verlieren, die Vorderseite der Welle hinabfahren, sich nach rechts lehnen, einen Turn in die Wand setzen und laut über diese Wasser-Rampe lachen, die sich nur zu deinem Vergnügen auftürmt, ein wenig nach vorn treten, um noch schneller über die steilen Stellen zu rasen, einen Finger ins Wasser halten, um sicher zu sein: Das alles geschieht wirklich! Wenn dann die Welle in Weißwasser weggurgelt, vom Brett springen, um hinterher – wie Bascom sagen würde – mehr Energie zu haben als zuvor.
    Das klappt natürlich nicht, wenn sich jemand vor dir in Position gebracht hat und die Welle für sich beansprucht: Begrenzte Ressourcen, Überbevölkerung, die Hackordnung gegen dich – genau die Gründe, warum aufrechte Einwanderer sich dem Treck nach Westen anschlossen. Das Wasser war so weit zurückgegangen, dass es die Schulschwänzer, die Jungs mit gewichtigen männlichen Anliegen, anlockte. Kaum war ich einem ausgewichen und prustend wieder aufgetaucht, da hörte ich, wie mich ein anderer anschrie.
    «Hey, Kook », rief der kleine blonde Apollo, ein extrem unglücklich wirkender Junge mit scharf geschnittener Nase. « Barney … willst du noch lange den Verkehr hier aufhalten?» ( Kook : Surftalk für einen unbekannten, wenig beeindruckenden Surfer in Anspielung auf die lächerlichen, zuckenden Bewegungen eines ungelenken Wellenreiters; im Surfer erscheint sogar ein regelmäßiger Comic mit einem Tölpel namens Wilbur Kookmeyer als Hauptfigur. Barney meint ungefähr dasselbe und leitet sich vermutlich von Fred Feuersteins kleinem Freund, Barney Geröllheimer, her.) Apollo war außer sich, fuchsteufelswild, und – was am schlimmsten war – er hatte Recht. In der Zeit, die ich nicht am Meer war, hatte ich den Code, die Verkehrsregeln, vergessen und ihm durch mein inkompetentes Kreuzen seine Welle zerstört. Trotzdem fand ich seinen Wutanfall schon fast komisch: Abgesehen davon, dass ich fünfzig Pfund mehr auf die Wage brachte als er, woher wollte das Bürschchen in diesen Zeiten wissen, ob ich nicht in meinem Wagen eine Glock liegen hatte? Es hat schon etwas ausgesprochen Niedliches, dieses Vertrauen in die Menschheit, dass man es wagt, einen Wildfremden anzuschreien. Aber bevor ich ihm das verklickern konnte, paddelte er kopfschüttelnd davon, als hätte ich mir auf die Schuhe gepinkelt und dürfte kein Mitleid dafür erwarten.
    In einer Surfer-Stadt gibt es keinen besseren Ort der Bewährung als einen gut einsehbaren Surfspot. Apollo zog seine Show für die Schaulustigen an der Klippe ab, indem er wie Motocross-Fahrer eine Wüstenpiste die Wellen attackierte, in den Augen eine Wut, bei der man eher an Prügeleien auf dem Schulhof denkt. Aber es war doch schön, ihm zuzusehen, wie er selbst auf den langsamsten Wellen in Fahrt kam und präzise, scharfe Turns drehte. Ein paar der anderen Jungen waren genauso wendig – darunter ein höchstens 13-jähriger Junge, der unverkennbar in eine Peaceful-Warrior-Phantasie versunken war, den Ausdruck ruhiger Entschlossenheit im Blick, während er jedes Manöver mit einer langen, stilvollen Armbewegung ausführte. Es ist schon ein traumhafter Sport: Er erlaubt dir, jede Menge Dampf abzulassen, gibt jedem Moment des Tages eine Gestalt
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