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Surf

Surf

Titel: Surf
Autoren: Daniel Duane
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schrecklich enger Type – Bände, die ungefähr alle zehn Jahre einmal ausgeliehen werden – stöberte, entdeckte ich zu meiner großen Freude, dass Kapitän James Cook, der später von Hawaiianern ermordet und möglicherweise auch verspeist wurde, bereits im 18. Jahrhundert etwas vom Mysterium des Surfens ahnte. Während sein Schiff vor Tahiti ankerte und die Mannschaft sich an Land ausruhte, vertraute er seinem Tagebuch den ersten Eintrag an, den es über das Wellenreiten in einer europäischen Sprache gibt. Ihm falle auf, so Cook, dass die Tahitianer «mit der beruhigenden Wirkung einer bestimmten Art der Fortbewegung» – er meinte das Surfen –, «die in einigen Fällen offenbar ebenso erfolgreich den Geist besänftigt wie die Musik, durchaus vertraut sind». 200 Jahre vor dem berühmten Surfer-Film The Endless Summer stand Surfen im Geist eines Engländers also bereits für Heilung und Meditation.
    Während er auf dem weißen Sand im Schatten liegt, sieht Cook einem Tahitianer zu, der im Einbaum auf den Wellen reitet. «Zunächst», gibt er offen zu, «dachte ich, er habe von einem der Schiffe etwas gestohlen und werde verfolgt.» Aber der Eingeborene erwischt noch eine Welle, reitet sie und nimmt gezielt weitere in Angriff, und da begreift Cook: «Ich kam nicht umhin, daraus zu schließen, dass dieser Mann das größte Vergnügen empfand, während ihn die Wellen so schnell und sanft vor sich her trieben.» Kapitän Cook, der selbst einen großen Teil seines Lebens auf den Weltmeeren verbracht und Frau und Kinder stets in weiter Ferne zurückgelassen hatte, musste man nicht erklären, welch großes Vergnügen es bereitete, auf den wogenden Wellen dahinzugleiten. Und herrlich scharfsinnig bemerkt er, dass die anderen Dorfbewohner zwar die europäischen Zelte und Schiffe bestaunten, aber der Surfer «diese offenbar nicht im Geringsten bewunderte, ja nicht einmal bemerkte». Schon damals zog das Wellenreiten also jene Wörter und Gedanken an, die sich bis heute darum ranken. Und jener Tahitianer aus dem 18. Jahrhundert hat, ganz versunken in die saubere Dünung, kein Interesse an Reichtum, keine Sehnsucht nach grüneren Weiden, keine Angst vor dem Imperialismus vor seiner Haustür.
    Nachdem ich die Recherchemöglichkeiten der Bibliothek ausgeschöpft hatte, verblüffte mich zudem, mit welchem Feuereifer die nichtsahnenden Mitarbeiter der Fernausleihe meine Pflichtvergessenheit unterstützten. Beispielsweise bestellten sie mir noch ein Buch aus der Northern Regional Library der University of California, eine Erstausgabe, die noch kein einziges Mal ausgeliehen worden war und in keiner Weise als Rarität galt: das 1854 erschienene Buch Sandwich Island Notes, by a Haole des Missionars George Washington Bates. Bates, der – zweifellos mit den besten Absichten – an einem der großen kulturellen Völkermorde seines Jahrhunderts beteiligt war, berichtet darin über die Exotik der Tropen. Er schreibt über die Surfer in Klischees, die bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts und in den Schriften von Jack London überdauert haben. Bates sieht die Wellenreiter als «geboren aus dem schäumenden Kamm der mächtigen Woge, während sie mit der Geschwindigkeit des schnellsten Rennpferdes Richtung Strand gleiten, wo ein Zuschauer neugierig beobachtet, ob sie in Stücke gehauen oder zu Krüppeln werden». In ihrem 1875 erschienenen Bericht Six Months Among the Palm Groves, Coral Reefs, and Volcanoes of the Sandwich Islands findet die unermüdliche Reiseschriftstellerin Isabella L. Bird ähnlich dramatische Worte: «Majestätisch ritten die Surfer an den Strand, stets unmittelbar vor den Brechern, wurden von deren mächtiger Antriebskraft mit einer Geschwindigkeit von 40 Meilen in der Stunde ans Ufer getragen … wobei sie immer wieder fast verschlungen wurden von dem tosenden Brecher, dessen aufragender weißer Kamm sich stets über und direkt hinter ihnen befand.» Risiko, Wagemut und Bezwingung – das sind die Kategorien, mit denen westliche Autoren einem ihnen fremdartigen Sport einen vertrauten Sinn zu verleihen suchen. Cook jedoch hatte es schon richtig erkannt: Es kommt auf die Wiederholung der beruhigenden Bewegung an, den inneren Frieden, den man empfindet, wenn man in einer Betätigung vollkommen aufgeht.
    Doch für Bates ist Surfen, 140 Jahre bevor Patrick Swayze in Point Break einen Bankräuber und Surfmystiker spielt, gleichbedeutend mit heidnischem Hedonismus. Bestürzt schreibt er über Waikiki – damals noch ein
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