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Super Sad True Love Story

Super Sad True Love Story

Titel: Super Sad True Love Story
Autoren: Gary Shteyngart
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Kapitalistische Volkspartei vier Jahre zuvor ihre «Einundfünfzig Erklärungen» abgegebenhatte, deren letzte den Massen zurief: «Text zu schreiben ist ehrenvoll!»
    Ungeachtet der Beschimpfungen, die ich in meiner Heimat über mich ergehen lassen muss, bauen mich einige der Rezensionen aus der Volksrepublik auf. Der stets besonnene Cai Xiangbao lobt meine Tagebücher in der
Bauernzeitung
als. Das trifft es genau. Ich bin kein Schriftsteller. Und doch war das, was ich geschrieben habe, wie Xiangbao es formulierte, «eine Hommage an die Literatur, wie sie einmal
war
[Hervorhebung von mir]».
    Wie die Kritiker in den Staaten jedoch einhellig betonen, sind die wahren Perlen des Textes die GlobalTeens-Einträge von Eunice Park. Sie «bieten eine willkommene Erlösung von Lennys gnadenloser Nabelschau», um Jeffrey Schott-Liu von der
whorefuckrevu
zu zitieren. «Sie ist keine geborene Schriftstellerin, was man von jemandem aus einer mit Images und Konsum groß gewordenen Generation auch kaum erwarten kann, doch ihre Schreibe ist interessanter und lebendiger als alles andere, was ich aus dieser analphabetischen Epoche gelesen habe. Natürlich kann sie zickig sein, und natürlich spürt man auch die Patina einer Mittelschichts-Anspruchshaltung, doch vor allem tritt ein echtes Interesse an der Welt um sie herum zutage – der Versuch, mit dem heiklen Erbe ihrer Familie zurande zu kommen und ihre eigenen Ansichten zu Liebe, körperlicher Zuneigung, Kommerz und Freundschaft zu entwickeln, und das alles in einer Welt, deren Grausamkeiten mehr und mehr die ihrer eigenen Kindheit widerspiegeln.» Ich würde noch hinzufügen, dass Eunice Park bei allem, was man meiner ehemaligen großen Liebe vorhalten könnte, und bei all den schrecklichen Dingen, die sie über mich geschrieben hat, im Gegensatz zu ihren Freundinnen, im Gegensatz zuJoshie, im Gegensatz zu mir selbst, im Gegensatz zu so vielen Amerikanern jener Zeit des Zusammenbruchs unseres Landes, nie der falschen Vorstellung erlag, etwas Besonderes zu sein.
    3.
    Nachdem ich New York verlassen hatte, lebte ich fast ein ganzes Jahrzehnt in Toronto, StabilitätsKanada, wo ich meinen wertlosen amerikanischen Pass gegen einen kanadischen eintauschte und meinen Namen von Lenny Abramov in Larry Abraham änderte, was für mich sehr nordamerikanisch klang – ein Hauch von Freizeitkleidung, ein Hauch von Altem Testament. Nach dem Tod meiner Eltern konnte ich jedenfalls den Gedanken nicht ertragen, den Vornamen zu behalten, den sie mir gegeben hatten, und auch den Nachnamen weiter zu führen, der ihnen über den Atlantik gefolgt war. Doch schließlich überquerte ich selbst diesen Ozean. Ich machte meine verbliebenen Vorzugsaktien von Staatling zu Geld, raffte alle Yuans zusammen, die ich noch hatte, und zog in ein kleines Bauernhaus im Arnotal des Freistaates Toskana. Ich wollte an einen Ort mit geringeren Datenmengen und nicht so vielen Jugendlichen, wo alte Menschen wie ich nicht verachtet wurden, nur weil sie alt waren, und wo beispielsweise ein älterer Mann als schön gelten konnte.
    Einige Jahre nach meiner endgültigen Einwanderung hörte ich, dass Joshie Goldmann auf die zersplitterte Apenninhalbinsel kommen sollte. Irgendein Trottel aus Bologna hatte eine Dokumentation über die Glanzzeit der Posthumanen Dienstleistungen gemacht, und die medizinischeFakultät der Universität flog ein, was von Joshie noch erhalten war.
    «Wir alle werden sterben», hatte Grace Kim einst zu mir gesagt und damit Nettie Fines Worte wiederholt. «Du, ich, Vishnu, Eunice, dein Chef, deine Klienten, alle.» Wenn meine Tagebücher an irgendeiner Stelle so etwas wie eine Wahrheit hergeben, dann diese Klage von Grace. (Die vielleicht gar keine Klage ist.)
    Auf der Bühne verzog sich das Gesicht meines Ersatzpapas zunächst zu einer ernsthaften akademischen Miene, doch schon wenig später fing er an zu zucken: der erst jüngst entdeckte Kapasische Tremor, den die Umkehr der Dechronifizierung mit sich brachte. Er besabberte großzügig seinen Dolmetscher, als er ohne Vorbemerkung oder Entschuldigung sagte: «Wir haben uns geirrt. Die Antioxidantien waren eine Sackgasse. Niemals konnten wir schnell genug neue Technologien erfinden, um die Komplikationen unter Kontrolle zu halten, die mit den alten einhergingen. Unser mörderischer Kreuzzug gegen Freie Radikale richtete mehr Schaden als Nutzen an, beeinträchtigte den Zellstoffwechsel, nahm dem Körper die Fähigkeit zur Selbstregulierung. Letzten Endes
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