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Eifel-Filz

Eifel-Filz

Titel: Eifel-Filz
Autoren: Jaques Berndorf
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Erstes Kapitel
     
    Meine Katze Krümel ist tot. Leukose. Sieben Jahre begleitete sie mich, dann warf es sie nieder. Sie lag zwei Tage herum, fraß nicht mehr, hatte hochgelbe Ohren, der Blick war verschleiert. Sie maunzte nicht, sie hatte Fieber, 39,8 Grad, sie schleppte sich, konnte die Hinterläufe nicht mehr bewegen, fühlte wohl auch starke Schmerzen. Ich fuhr an einem Samstag mit ihr zum Berthold Mettler nach Daun. Es war nichts mehr zu machen, das Zauberwort hieß T 62, ein starkes Barbiturat, das augenblicklich zum Blackout führt.
    Sie hat nichts gespürt, oder wenigstens machte das so den Anschein. Wahrscheinlich hockt sie jetzt auf der Wolke Sieben im Katzenhimmel und grinst über mich, weil ich trauere. Sie hatte so eine unnachahmliche Art, sich quer über das Telefon zu legen oder diagonal über die Tastatur der Schreibmaschine, sie war so unnachahmlich arrogant.
    Momo ist mir geblieben, der fuchsige Kater, der nach acht Monaten satte fünf Kilo wiegt und den Kopf eines kleinen Löwen hat. Zuweilen rennt er gehetzt durch das Haus auf der Suche nach Krümel, und es hat den Anschein, als trauere auch er. Wahrscheinlich ist das Theater, wahrscheinlich hat er nur ausgerechnet, um wieviel sein Anteil am Fressen steigt. Wenn ich ihm einen Napf voll erstklassiger Katzenkonserve hinstelle, frißt er den im Handumdrehen leer, wendet sich mir mit großen Bernsteinaugen zu und maunzt sich mit weit offenem Maul das Hungerelend aus der Katzenseele. Nach etwa fünf Minuten geht er dann genußvoll kacken, kehrt zurück, dreht und wendet sich, als wolle er sagen: »Guck mal, wie schlank der Hunger macht!« – und maunzt weiter. Er gehört zu den Kreaturen, die ich gelegentlich gerne strangulieren würde, aber wenn er den Haß in meinen Augen sieht, verschwindet er.
    Das dritte Familienmitglied ist Paul. Paul ist ein graugetigertes Wesen, das ein paar Wochen alt und vater- und mutterlos irgendwo im Dorf aufgefunden worden ist. Wahrscheinlich hat jemand gesagt: »Frag mal bei diesem Baumeister nach«, und so stand eine verlegene Zwölfjährige vor der Tür, die stockend erklärte: »Also, jemand meinte, daß Sie vielleicht die Katze nehmen...«
    Ich nahm sie, ich hob ihr den Schwanz, ich taufte sie Paul, und dann war Momo da, der der Konkurrenz die erste Tracht Prügel verabreichte.
    Nach etwa 24 Stunden drehte sich der Spieß um, weil Paul als der wesentlich Jüngere blitzschnell herausgefunden hatte, wie er Momo um die Katzenpfote wickeln konnte. Man neigt elegant das Köpfchen bis auf den Boden und bietet den Bauch. Das wird sofort zum Ritual: Wann immer sich Momo oder Baumeister nähern, fällt Paul mit der Geschwindigkeit eines Infanteristen im Gefecht zu Boden und mimt toten Mann. Umgekehrt hat er in Zeiten jugendlichen Übermutes herausgefunden, daß Jeans an menschlichen Beinen hervorragende Kratzbäume sind. Er springt locker aus einer Entfernung von einem Meter an den Oberschenkel und nagelt sich fest. Baumeister wimmert, hat aber Disziplin genug, nicht sofort nach dem Hackebeilchen zu greifen.
    Also Momo und Paul. Meine Katzenwelt ist wieder in Ordnung, und wenn ich beobachte, wie Momo Paul beibringt, die Zahl der heimischen Mäuse zu dezimieren, wird mir warm ums Herz.
    Momo weckte mich an jenem Morgen gegen sechs Uhr, legte eine nicht ganz tote Maus neben den Wecker und knurrte dann wild, weil Paul hinter ihm auftauchte und die Maus für sich beanspruchte. Wenn Katzen sich prügeln, ist die Nacht grundsätzlich zu Ende. Momo hatte das Schwanzende der Maus im Maul und Paul den zierlichen grauen Kopf. Vor dem Frühstück ist mir so viel Natur einfach zuwider. Ich brüllte also: »Raus!« und sprang auf. Das hatte zur Folge, daß ich mit einer geköpften Maus allein blieb, schlecht gelaunt war und überlegte, ob das Landleben wirklich so schön ist, wie ich immer zu behaupten pflege.
    Es war ein Montag, die Eifel explodierte in den wildesten Herbstfarben, der Indian Summer in Vermont ist dagegen ein matter Abklatsch. Über den Hügeln drückte sich behutsam der Nebel, und die Sonne lag noch im Schlaf. Die Katzen erschienen wieder und rieben sich an meinen Beinen, weil ich der Herr des Dosenöffners bin. Paul schnurrte, und Momo behauptete wieder, in den letzten Zügen zu liegen. Katzen können ekelhaft sein.
    Ich machte mir einen Pulverkaffee von der Sorte Zementmixer, hockte mich an den kleinen Küchentisch und starrte in den Garten. Ich sah zu, wie mein Hausmaulwurf mitten im frisch gemähten Rasen langsam
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