Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Super Sad True Love Story

Super Sad True Love Story

Titel: Super Sad True Love Story
Autoren: Gary Shteyngart
Vom Netzwerk:
Pizza-Bringdienstes zu sehen) steht johlend um sie herum, die Sturmgewehre auf ihre Nacktheit gerichtet, in den unrasierten Gesichtern eine fast bohemehafteBegeisterung. Die Werke hatten alle völlig unverfängliche Titel wie
St.   Cloud, Minnesota, 7.00   Uhr morgens
, was sie noch schlimmer, noch beängstigender machte. Eins hieß
Die Geburtstagparty, Phoenix
und zeigte fünf pubertierende Mädchen, also, ich möchte mich nicht weiter darüber auslassen, aber die Arbeiten waren höchst erstaunlich – echte Kunst mit dokumentarischer Absicht.
    Die Triplex-Wohnung bestand eigentlich aus drei übereinandergeschichteten Triplex-Wohnungen, die beiden oberen um jeweils fünfundvierzig Grad gegenüber der darunter liegenden gedreht, wie drei vorsichtig aufeinandergestapelte Backsteine – ein kleiner Wolkenkratzer im Grunde   –, und dann derart über den East River hinauskragend, dass die Zerstörer der Volksbefreiungsmarine auf Augenhöhe vorbeiglitten, man hätte beinahe hinauslangen und die Batterien der Boden-Luft-Lenkflugkörper berühren können, die auf ihren erhöhten Rampen wie Dosen mit Pfefferminzbonbons glänzten. Die Hälfte der Wohnung wurde von dem aus der Mitte der drei aufgeschichteten Teile herausgeschnittenen Wohnraum eingenommen, der unter einem riesigen Oberlicht eine Art modernen Souk bildete. Die Größe entsprach ungefähr der Haupthalle in der Grand Central Station, sagte man mir. Aus dem Raum waren sämtliche Möbel hinausgeschafft worden (vielleicht sah es auch immer so aus), da waren nur die furchterregenden Kunstwerke auf Schulterhöhe und so kleine transparente Würfel, die sich beim Daraufsetzen mit rotem oder gelbem Leuchten füllten, zu Ehren der chinesischen Flagge und unserer Gäste. Alles war derart von Tageslicht durchflutet, dass der Unterschied zwischen Drinnen und Draußen keine Rolle mehr spielte und ich mir manchmal wie in einer Glaskathedrale mit weggesprengtem Dach vorkam.
    Ich wollte dem Künstler zu seiner Arbeit gratulieren, so großen Eindruck machte sie auf mich, und ihm empfehlen, hinaus nach Westbury zu fahren, wo meine Eltern wohnten, damit er eine andere, hoffnungsvollere Seite des Nach-Bruch-Amerikas kennenlernen konnte. Aber sie hatten da so ein Gimmick laufen: Jedes Mal, wenn sich jemand dem Künstler näherte, den er nicht kannte oder der ihm äußerlich nicht gefiel, schossen um ihn herum so Spieße aus dem Boden, und man musste sich wieder zurückziehen. Er sah an sich ganz nett aus, hatte zwar ein irgendwie kantiges Kinn, doch in den Augen etwas Milchiges, beinahe Mittelwestliches, und er trug ein Hemd mit aufgedrucktem Puma und ein Old-School-Nadelstreifenjackett von Armani, das mit zufälligen, aus Kreppklebeband gefertigten Zahlen versehen war. Er sprach mit einer wild gefühlenden Nestorin post-amerikanischer Kunstgeschichte in einem mit Drachen und Phönixen bevölkerten Cheongsam. Kaum näherte ich mich den beiden, schossen die Spitzen um ihn herum aus dem Boden, und einige der Serviermädchen in Onionskin-Jeans, die in der Nähe des Künstlers standen, warfen mir einen nur allzu vertrauten Blick zu, der besagte, dass ich kein menschliches Wesen sei.
Na gut
, dachte ich. Immerhin war die Kunst toll.
    Ein Haufen junger Medienleute hing, sich gegenseitig abschirmend, miteinander herum, Grüppchen von Jungs und gelegentlich Mädchen in ordentlichen Anzügen und Kleidern, die die Höherstehenden beeindrucken wollten, sich aber in der ungeheuren Weite des Raums offenkundig verloren fühlten. Dennoch waren sie einfach glücklich, da zu sein und zu erleben, dass sie etwas zu essen bekamen, ihren Rum und ihre Tsingtaos trinken konnten, Teil der Gesellschaft waren, den Fünf-Jiao-Kolonnen damit entgingen. Wie alle in der Stadt verbliebenen Medienleute trugen sieblaue, von Staatling-Wapachung ausgegebene Abzeichen mit der Aufschrift «Wir leisten unseren Beitrag».
    Die Oberen von Staatling-Wapachung waren wie Jugendliche gekleidet, jede Menge Kapuzenpullover der Firma Zoo York Basic Cracker aus den Nullerjahren, und hatten sich jeder Menge Dechronifizierungsbehandlungen unterzogen, sodass mir der Gedanke kam, es seien in Wahrheit ihre Kinder, doch mein Äppärät teilte mir mit, dass die meisten von ihnen schon über fünfzig, sechzig oder gar siebzig waren. Manchmal sah ich jemanden, von dem ich glaubte, ich hätte ihn in der Aufnahme einmal vor mir gehabt, und wollte ihn begrüßen, doch in dieser glamourösen Umgebung konnten sie mich nicht zuordnen.
    Ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher