Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sumpfblüten

Sumpfblüten

Titel: Sumpfblüten
Autoren: Carl Hiaasen
Vom Netzwerk:
mittleren Westen, ließ sich ein paar Barhocker weiter nieder und begann, sich in höchsten Tönen über ihren Urlaub im Südwesten Floridas auszulassen.
    »In O’Hare waren heute Morgen minus elf Grad!«, kicherte die Frau.
    »Bei dem Wind sogar noch gefühlte drei Grad drunter«, meinte ihr Mann.
    »Ich will nicht nach Hause, Ben. Hier ist es ja so unglaublich.«
    »McMullan hat aus dem Club angerufen – der See am siebzehnten Loch ist zugefroren. Die Kids treiben sich da draußen rum und spielen mit Hundescheiße Eishockey.«
    »Ben, hast du gehört, was ich gesagt habe? Ich will wirklich nicht zurück.«
    »Meinst du das ernst?«
    Boyd Shreave nahm seine Bierflasche und schob sich näher heran.
    »Wir könnten uns doch was in Naples suchen«, schlug die Frau vor.
    »Oder direkt hier am Fluss«, überlegte ihr Mann. »Wir könnten uns ein Boot zulegen und hinter dem Haus einen Steg bauen.«
    Der Barkeeper hatte dasselbe Gespräch vielleicht schon tausendmal gehört; für einen in Ungnade gefallenen Telemarketing-Verkäufer aus Texas jedoch war es eine Offenbarung, ein Donnerschlag der Inspiration.
    »Das hier ist das reinste Paradies«, hörte Shreave sich sagen. »Der Himmel auf Erden.«
    Der Ehemann drehte sich auf seinem Barhocker herum. »Heute habe ich acht Frauenfische gefangen und eine Flunder, so groß wie ’ne Radkappe. Ungelogen!«
    »Aber was ist mit den Moskitos?«, fragte seine Frau. »Ich hab gehört, im Sommer soll es eine Qual sein.«
    Shreave lächelte. »Das erzählen die Leute hier allen Yankees. Sind Sie ernsthaft interessiert?«
    »Ach, wir träumen nur laut vor uns hin«, wiegelte der Mann ab.
    »Nein, wir sind ernsthaft interessiert«, widersprach die Frau. »Ich bin ernsthaft interessiert. Wohnen Sie hier?«
    Shreave zögerte nicht. »Gleich die Straße rauf.«
    Natürlich war ihm aufgegangen, dass er, immun gegen die Wunder dieser Gegend, wie er war, ideale Voraussetzungen mitbrachte, um sie auszubeuten. Tja, Erik Scheiß-Estrada, dumm gelaufen.
    Der Ehemann stellte sich vor. Shreave schüttelte ihm die Hand und sagte: »Ich bin Boyd Eisenhower.«
    »Wie der Präsident?«
    »Leider nicht verwandt, fürchte ich.«
    »Sind Sie Makler?«, wollte die Frau wissen.
    »Ich verkaufe ein paar ausgewählte Grundstücke am Wasser, ja.«
    Shreave experimentierte mit einem neuen zurückhaltenden Stil. Die Biere waren dabei definitiv hilfreich. Bis jetzt war das Paar nicht vor ihm zurückgezuckt oder gar in seiner Gegenwart argwöhnisch geworden, ganz im Gegenteil. Sie waren so wild darauf, Chicago zu entkommen, dass sie gar nicht bemerkt hatten, dass er halb betrunken war.
    »Und was würde so was kosten«, erkundigte sich der Ehemann gerade, »so ein Haus am Fluss, sagen wir mal, fünf Zimmer, Bad und Gäste-WC? Rein hypothetisch, meine ich.«
    »Oder ein Reihenhaus auf Marco Island«, fügte die Frau eifrig hinzu. »Haben Sie eine Visitenkarte, Mr. Eisenhower?«
    »Leider habe ich gerade keine dabei.« Boyd Shreave verspürte einen Rausch sondergleichen. Dies, so glaubte er, war seine Erlösung.
    »Geben Sie mir doch Ihre Telefonnummer«, schlug er vor und griff nach einer Cocktailserviette.
    Gleich morgen früh würde er sich wegen einer Maklerlizenz erkundigen.
    Ich bin zu Hause, dachte er. Endlich.
     
    Der Adler flog nach Süden und verbrachte die Nacht im Wipfel einer abgestorbenen schwarzen Mangrove am Lostmans River. Selbst aus einiger Entfernung konnte Sammy Tigertail erkennen, dass der Vogel sehr alt war, und er fragte sich, ob das wohl der Geist von Wiley war, dem durchgeknallten Schriftsteller, von dem sein Onkel Tommy manchmal Geschichten erzählte.
    Bei Tagesanbruch fuhr Sammy Tigertail mit dem Flachboot zum Fuß des Baumes und rief zu dem Adler hinauf, der zur Antwort einen Fischkopf auswürgte. Der Indianer winkte respektvoll und fuhr den Fluss hinauf, um die Stelle zu überprüfen, wo er den Leichnam von Louis Piejack versenkt hatte. Es war dasselbe tiefe Loch, indem er elf Tage zuvor Jeter Wilson verankert hatte, den glücklosen toten Touristen. Vor kurzem war Wilsons Mietwagen aus dem trüben Kanal am Tamiami Trail geborgen worden; dieser wurde jetzt von Polizeitauchern abgesucht, die dabei höllisch Angst vor den Schlangen hatten. Sammy Tigertail hatte es nicht eilig damit, sein Versteck zu verlassen.
    Im Lostmans River war keine Spur von Wilson oder Piejack aufgetaucht, also kehrte der Indianer zu seinem Lagerplatz in der Nähe von Toms Bight zurück und versteckte sorgfältig
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher