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Sumpfblüten

Sumpfblüten

Titel: Sumpfblüten
Autoren: Carl Hiaasen
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den Taschen des Toten fand der Seminole die Wegwerfkamera, 645 Dollar in bar, eine Brieftasche, die Schlüssel eines gemieteten Chrysler, ein Handy, zwei Marihuana-Joints, drei Kondome und eine Visitenkarte des Blue Dolphin Escort Service. Sammy Tigertail tat alles wieder zurück, einschließlich des Geldes. Dann zog er sein eigenes Handy heraus und rief seinen Onkel Tommy an, der ihm riet, den toten Weißen so schnell wie möglich aus dem Reservat fortzuschaffen.
    Mangels genauerer Instruktionen nahm Sammy Tigertail irrtümlich an, sein Onkel wolle, dass er Wilson endgültig entsorgte und ihn nicht lediglich an einen neutralen Ort verbrachte. Er fürchtete, dass man ihn für den Tod des Touristen verantwortlich machen könnte und dass die Stammesbehörden nicht in der Lage sein würden, ihn vor dem Eifer der Staatsanwälte von Collier County zu schützen, von denen keiner ein amerikanischer Ureinwohner war.
    Also fuhr Sammy Tigertail das Propellerboot zum Steg zurück und schleppte Wilsons Leichnam zu dessen Leihwagen. Niemand war zugegen, um Zeuge des Transports zu werden, doch jeder neutrale Beobachter – vor allem einer, dem der Wind Wilsons Alkoholgestank zugetragen hätte – wäre zu dem Schluss gekommen, dass er ein großer, ungepflegter Säufer sei, der auf der Sumpftour aus den Latschen gekippt war.
    Nachdem er den Toten aufrecht auf den Rücksitz gesetzt hatte, fuhr Sammy Tigertail auf kürzestem Weg nach Everglades City im Herzen der Ten Thousand Islands. Dort erstand er vier Anker, lieh sich ein Krabbenboot aus und fuhr zu einem Barschtümpel am Lostmans River.
    Nicht eine einzige kupfergoldene Luftblase zeigte die Stelle an, wo der Tote versunken war. Sammy Tigertail starrte ins schlammige Wasser, trübsinnig und angewidert. Dies war sein erster Arbeitstag als Propellerbootsführer gewesen und Wilson sein erster Kunde.
    Und auch sein letzter.
    Nachdem er das Krabbenboot zurückgebracht hatte, rief er seinen Onkel Tommy an, um ihm zu sagen, dass er eine Weile wegfahren würde. Er meinte, er wäre spirituell nicht für den Umgang mit Touristen gerüstet.
    »Junge, du kannst dich vor der weißen Welt nicht verstecken«, sagte sein Onkel.
    »Das weiß ich, denn ich habe es versucht. Gehört uns der Blue Dolphin Escort Service?«, wollte Sammy Tigertail wissen.
    »Mich würde gar nichts überraschen«, bemerkte sein Onkel.
     
    Ungefähr um die gleiche Zeit, in einem Wohnwagen unweit des Fischereihafens, schaute ein Junge namens Fry von seinem Teller auf und fragte: »Was ist das denn?«
    Es war keine unbillige Frage.
    »Salisbury-Steak«, antwortete Honey Santana. »Schmeckt besser, als es aussieht.«
    »Bist du mal wieder gefeuert worden?«
    »Nein, ich habe gekündigt«, sagte Honey. »Jetzt sei still und iss.«
    Wie ihr Sohn sehr gut wusste, griff sie nur auf Tiefkühlkost zurück, wenn sie keine Arbeit hatte.
    »Was ist denn diesmal passiert?«, wollte er wissen.
    »Erinnerst du dich noch an Tante Rachels Chihuahua? Yum-Yum-Boy?«
    »Der, der draufgegangen ist, richtig? Als er versucht hat, ’n Waschbären zu bumsen.«
    »Ja, also, Mr. Piejack ist genauso«, meinte Honey. »Nur größer.«
    Sie nahm einen kleinen Bissen von dem zähen grauen Fleisch. Es war grauenhaft, doch sie brachte ein Lächeln zustande.
    Fry zuckte die Achseln. »Und, hat er dich angebaggert, oder was?«
    »Das kann man wohl sagen.«
    Mr. Piejack war der Miteigentümer des Fischgeschäfts, und er hatte Honey schon seit Monaten nachgestellt. Er war verheiratet und hatte noch zahlreiche andere unangenehme Eigenschaften.
    »Kennst du diese kleinen Holzhämmer, die wir an der Kasse verkaufen?«, fragte Honey.
    Fry nickte. »Um die Scheren von Steinkrabben aufzubrechen.«
    »Genau. Damit habe ich ihm eins verpasst.«
    »Wohin?«
    »Wohin glaubst du?«
    Als Fry seinen Stuhl vom Tisch zurückschob, erklärte Honey hastig: »Er hat mir an die Brust gegriffen. Deswegen.«
    Ihr Sohn schaute auf. »Echt? Du denkst dir das nicht bloß aus?«
    »An meine rechte Brust, ich schwör’s bei Gott.« Feierlich faltete Honey die Hände über dem Zielobjekt von Mr. Piejacks Gelüsten.
    »Was für ein A … loch«, stellte Fry fest.
    »Absolut. Nachdem ich zugeschlagen hatte, hat er angefangen, sich stöhnend und jaulend auf dem Boden rumzurollen, also hab ich mir eine Scheibe Tunfisch aus der Kühlung geschnappt und sie ihm in die Hose gesteckt. Du weißt schon, damit’s nicht so anschwillt.«
    »Was für Tunfisch?«
    »Gelbflossen-Tunfisch«,
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