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Sumpfblüten

Sumpfblüten

Titel: Sumpfblüten
Autoren: Carl Hiaasen
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anfangen, sie niemals beschimpfen, niemals die Ruhe verlieren. Ihnen unter gar keinen Umständen einen Anlass geben, sich bei den Bundesbehörden zu beschweren.
    Diejenigen, die in den Genuss von Shreaves nervtötenden Anrufen gekommen waren, hatten ihn schon als Penner, als Made, als Polyp, als Geier, als Arschnase, als Schwanzlutscher, als Sackgesicht, als Schleimscheißer und sogar als Hämorrhoide bezeichnet. Nicht ein einziges Mal hatte Shreave mit etwas Gleichartigem geantwortet.
    Und höchstwahrscheinlich hätte er auch an diesem Abend die Fassung gewahrt, hätte Ms. Santana nicht einen Nerv getroffen, indem sie seine Mutter erwähnte, die tatsächlich Gift und Galle darüber gespien hatte, dass er ins Telemarketing-Geschäft eingestiegen war. Die ihn ihrerseits mit unschmeichelhaften Namen bedacht hatte, wobei sie jedem das Wort »faul« vorangestellt hatte.
    Anstatt also aufzulegen und die nächste Nummer auf der Liste zu wählen, sagte Boyd Shreave das zu Ms. Santana, was er so gern zu seiner Mutter gesagt hätte, nämlich: »Bums dich doch selbst, du vertrocknete alte Schlampe.«
    Dies wurde nicht mit Shreaves Freundlicher-Nachbar-Stimme vorgebracht, sondern in einem giftigen Fauchen, so laut, dass sowohl Sacco als auch Eugenie Fonda in ihren Abteilen aufsprangen und Shreave über die schallgedämpften Trennwände hinweg anstarrten, als habe er den Verstand verloren.
    Am anderen Ende der Leitung klang Ms. Santana eher verletzt als wütend. »Was für schreckliche Ausdrücke, Mr. Eisenhower«, sagte sie ruhig. »Verbinden Sie mich bitte sofort mit Mr. Truman oder Miss Lincoln.«
    Boyd Shreave lachte ätzend und nahm sein Headset ab. Kein Wunder, dass sie die Callcenter alle nach Indien verlegen, dachte er. Die armen Schweine da können gar nicht genug Englisch, um die Kunden zu beleidigen.
    Eugenie schob ihm einen Zettel zu, auf dem stand: »Bist du verrückt?«
    »Nur nach dir«, kritzelte Shreave zurück.
    Doch als er dasaß und an seinem Milchkaffee nippte, dachte er über das Gespräch mit Ms. Santana nach und sah ein, dass er schroff gewesen war, wenn man bedachte, dass sie ihn nichts Schlimmeres als eine Landplage genannt hatte.
    Vielleicht drehe ich allmählich durch, dachte er. Großer Gott, ich brauche Urlaub.
     
    Honey Santana starrte das Telefon in ihrer Hand an. »Was hat er denn gesagt?«, wollte Fry wissen. Honey schüttelte den Kopf. »Nicht so wichtig.«
    »Weißt du, es gibt so eine ›Nicht anrufen‹-Liste. Warum lässt du deine Nummer da nicht draufsetzen? Dann müssen wir uns nicht mehr mit diesen Scheißern rumärgern.«
    »Würdest du bitte dieses Wort nicht benutzen?« Honey bezahlte bereits zusätzlich für einen Telefondienst, der Anrufe von unterdrückten Nummern abwies. Um das zu vermeiden, verwendeten viele Telemarketing-Unternehmen rotierende 0800-Nummern, was Honey auch herausfand, als sie die Caller-ID-Taste drückte. Sie notierte sich die Nummer neben dem Namen »Boyd Eisenhower«.
    »Danke für die Suppe«, sagte Fry. »Die war echt gut.«
    »Gern geschehen.«
    »Was machst du jetzt?«
    »Ich rufe die Firma an, um mich zu beschweren.«
    »Als ob die das interessiert«, knurrte Fry. »Mom, bitte, nicht heute Abend.«
    Die Nummer war besetzt. Honey legte auf und warf ein Tic Tac ein. »Ich hätte nichts dagegen, noch mal mit diesem Typen zu reden. Er hat mich was wirklich Schlimmes genannt.«
    »Also los, raus damit.«
    »Du bist erst zwölfeinhalb, Fry.«
    »Hey, du hast mich The Sopranos gucken lassen.«
    »Einmal«, erwiderte Honey reumütig. »Ich dachte, dabei geht’s um Opern, ehrlich.«
    »War’s N-u-t-t-e? So hat er dich genannt, stimmt’s?«
    Honey verneinte und wählte abermals. Immer noch besetzt.
    »Du hättest nicht von seiner Mom anfangen sollen«, meinte Fry.
    »Warum nicht?«, fragte Honey. »Glaubst du, sie hat geblutet und gelitten, um ihn zur Welt zu bringen, ihn gestillt, ihn gebadet, wenn er schmutzig war, und ihn in den Armen gehalten, wenn er krank war – nur damit er die Leute mitten beim Abendessen vollquatschen kann, wenn er erwachsen ist?« Honey schüttelte einen mahnenden Finger in Richtung ihres Sohnes. »Wenn du dir je so einen bescheuerten Job suchst, streiche ich dich aus meinem Testament.«
    Fry sah sich in dem Doppelwohnwagen um, als mache er Inventur. »So viel zum Treuhandvermögen«, bemerkte er.
    Honey beachtete ihn nicht und wählte von neuem. Wieder das Besetztzeichen.
    »Vielleicht ist seine Mom ja auch ’ne Landplage. Schon
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