Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Süß ist die Angst

Süß ist die Angst

Titel: Süß ist die Angst
Autoren: Pamela Clare
Vom Netzwerk:
Sie hatte vorhin das Meeting des I-Teams, die Truppe investigativer Journalisten, zu der Sophie gehörte, unterbrochen, um ihnen in epischer Breite zu erklären, warum sie – und damit auch diese Zeitung – keinesfalls gegen eine Abschwächung der Whistleblower-Gesetze protestieren würde. Wirklich verwundert hatte das natürlich niemanden. Quellenschutz war ein politisch brisantes Thema, und Glynnis machte keinen Hehl daraus, dass ihre Interessen sich ausschließlich darauf konzentrierten, sich bei den großen Konzernen einzuschleimen und der bestehenden Regierung um den Bart zu gehen.
    Das hatte Tom natürlich nicht einfach hingenommen. Tom Trent hatte den Ruf, der härteste und brillanteste Chefredakteur im Staat Colorado zu sein – und wahrscheinlich würde er eines Tages von einem Mitglied seines eigenen Teams gemeuchelt werden. Aber heute hätte man ihn beinahe ins Herz schließen können. Er hatte Glynnis eine gut fünfzehn Minuten lange, ausgesprochen inspirierte Predigt über die enorme Bedeutung der Gesetze zum Schutz von Informanten gehalten, und Glynnis war herrlich wütend aus dem Meeting gestürmt. Doch obwohl das sehr befriedigend gewesen war, änderte es nichts an der Tatsache, dass Sophie nun extrem spät dran war.
    Sie nahm die Ausfahrt am Federal Center, blickte auf die Uhr auf dem Armaturenbrett und trat behutsam aufs Gas, bis der Tacho die fünfunddreißig erreicht hatte. Verdammte Glynnis. Sie wollte nicht riskieren, auf dem Eis einen Unfall zu verursachen.
    Sie berichtete schon seit vergangenem Sommer über Megans Fall, seit ihre Reportage über eine Totgeburt im Frauengefängnis sie dazu gebracht hatte, genauer hinzusehen und zu recherchieren. Megan, eine Mitinsassin der betroffenen Frau, war damals im siebten Monat schwanger gewesen, und irgendetwas an ihr hatte Sophie zutiefst berührt. Vielleicht war es Megans Verletzlichkeit gewesen, vielleicht die Tatsache, dass diese junge Frau die Unsicherheiten einer Schwangerschaft in einer kalten Welt aus Eisenstäben und Gleichgültigkeit erfahren musste. Vielleicht war es auch der mutige Kampf des Mädchens gegen ihre Sucht gewesen oder Megans Unschuld und Güte, Eigenschaften, die man bei Wiederholungstätern nicht gerade häufig fand.
    In den vergangenen Monaten hatte Sophie Megan jede Woche besucht. Sie hatte über die Drogensucht berichtet, die Megan ins Gefängnis gebracht hatte, hatte sich im Krankenhausflur die Fingernägel abgekaut, während Megan, an einem Fußknöchel ans Bett gefesselt, in achtzehn Stunden Wehen das Baby zur Welt gebracht hatte. Sie hatte zugesehen, wie Megan das Neugeborene geküsst und geherzt hatte, und mit ihr geweint, als das Sozialamt die kleine Emily weggeholt hatte.
    Aber heute würde es Tränen anderer Art geben. Heute würden Mutter und Kind für zwei Stunden unter Beobachtung wiedervereint werden. Allein der Gedanke verursachte bei Sophie einen Kloß im Hals.
    Sie bog nach links auf die Ancoma Street ein … und trat auf die Bremse. Fünf Polizeiwagen standen mit Blinklichtern vor New Horizons. Grundsätzlich war es nicht ungewöhnlich, dass Polizei vor dem Haus zu sehen war. New Horizons war schließlich ein Übergangshaus. Hier sollten Straftäter nach ihrer Zeit im Gefängnis wieder an das normale Leben gewöhnt werden, und nicht selten verstieß einer der Bewohner gegen die Regeln und musste zurück in Haft. Eine solche Polizeipräsenz hatte Sophie in den vielen Monaten, die sie hergekommen war, jedoch noch nie erlebt.
    Da steckte jemand in ernsten Schwierigkeiten.
    Sie umfuhr die Streifenwagen, steuerte ihren kleinen Toyota in eine Parklücke und schaltete den Motor aus. Sie nahm ihre Tasche und stieg hinaus in den kalten Februarmorgen. Der Himmel war leuchtend blau, aber die Sonne besaß keine wärmende Kraft, und von den weißen Bergen im Westen wehte ein eisiger Wind. Sie zog den Mantel enger um sich, schob das Kinn unter den Kragen und hastete zur Eingangstür.
    Joaquin Ramirez, der beste Fotograf der Zeitung, wartete bereits in der Eingangshalle auf sie. Er grinste, als er sie eintreten sah.
    »Na? Hab ja gesagt, dass ich Erster bin.«
    »Du hast geschummelt.« Sophie fischte den Presseausweis aus der Brieftasche und warf einen Blick zur Empfangstheke. »Du kannst von Glück sagen, dass Denvers gesamte Polizei hier ist. Sonst hätte dich wahrscheinlich jemand angehalten.«
    Er verdrehte die dunklen Augen.
    »Ist doch nicht meine Schuld, wenn du zu feige bist, bei dem Wetter aufs Gas zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher