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Liebe ist staerker als Haß

Titel: Liebe ist staerker als Haß
Autoren: Jude Deveraux
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    England 1447
    Schon von weitem sah die alte Burg heruntergekommen und reparaturbedürftig aus. Nur der Wassergraben war gut instandgehalten. Vor ihren Mauern übten sich gerade zahlreiche Männer mit Schwertern und Lanzen im Waffenhandwerk. Manche kämpften zu Fuß, andere zu Pferde.
    Zwei Männer beaufsichtigten mit konzentrierter Aufmerksamkeit die Übungswettkämpfe. Beide waren groß, muskelstark und gutaussehend. Es waren die letzten beiden Überlebenden der Brüder Peregrine. Alle anderen waren schon längst in der seit drei Generationen andauernden Fehde mit den Howards gefallen.
    »Wo ist Zared?« rief der ältere Bruder Rogan. Die Sonne glänzte auf seinem dunkelroten Haar, das er vom Vater geerbt hatte.
    »Drinnen«, rief der jüngere Bruder Severn zurück. Ihre Blicke trafen sich. »Ich habe Zared hineingehen sehen«, fuhr er fort. Absichtlich vermied er das weibliche Fürwort »sie«, denn keiner der übrigen Männer sollte erfahren, daß Zared weiblichen Geschlechts war.
    Rogan nickte und beobachtete dann wieder die in seiner Nähe kämpfenden Männer. Bereits vier Brüder hatte er durch die heimtückische Hinterlist der Howards verloren und vor zwei Jahren beinahe auch seine Ehefrau. Er wollte verhindern, daß auch seine kleine Schwester den schleichenden Ratten zum Opfer fiel. Daher vergewisserte er sich häufig ihres gegenwärtigen Aufenthaltsorts.
    Zornig fuhr er die Männer in seiner Nähe an: »Nennt ihr das kämpfen? Seid ihr Weiber? Was für Schwächlinge ihr seid! Hier, ich will es euch zeigen.« Er entriß einem Ritter die Lanze und warf sich ins Getümmel. In wenigen Minuten hatte er den Ritter, der den Kampf mit ihm aufgenommen hatte, in die Knie gezwungen. Verächtlich starrte Rogan ihn funkelnden Auges an und hob die Lanze wie zum Stoß. Doch dann warf er die Waffe zu Boden und schritt davon.
    Wie sollte er seine Familie schützen, wie das wenige Land, das den Peregrines verblieben war, wenn die Männer, die für ihn kämpften, solche Schwächlinge waren?
    Er bestieg sein Roß und wollte zum Schloß hinüberreiten. Doch Severn hielt ihn an. Nun waren sie allein.
    »Willst du zu ihr?« fragte Severn kampflustig. Zorn regte sich in ihm, weil sein Bruder sich nicht auf sein Wort verlassen wollte, daß ihre junge Schwester in Sicherheit sei.
    »Sie ist ungehorsam«, versetzte Rogan mit finsterem Blick. Vor drei Wochen hatte Zared eines Tages beschlossen, schwimmen zu gehen, und war allein, ohne Begleitschutz, ausgeritten. Mit siebzehn Jahren hatte sie den Glauben der Jugend, ihr könne nichts geschehen.
    »Ich werde nach ihr sehen«, sagte Severn, in der Absicht, dem älteren Bruder wenigstens diese Verantwortung abzunehmen.
    Rogan nickte, und Severn gab seinem Pferd die Zügel. Er kannte nur zu gut die Empfindungen seiner Schwester. Auch er fühlte die Last des Familienhasses
    gegen die Howards auf seinen Schultern. Seit Jahren hatte er mitansehen müssen, wie die Howards einen Angehörigen nach dem anderen getötet hatten. Er hatte erlebt, wie seine Brüder fielen, wie Vater und Stiefmutter von den Howards ausgehungert worden waren. Er war Zeuge von Rogans Todesangst gewesen, als die Howards seine erste Frau und später auch seine geliebte zweite Frau gefangennahmen.
    Seit Zared, seine Schwester und einzige Tochter seines Vaters, auf der Welt war, hatte sich die Familie zu ihrem Schutz verbündet. Als erste Maßnahme hatten sie geheimgehalten, daß den Peregrines ein zartes und verletzliches weibliches Wesen geboren worden war. Dafür sprengten sie die Nachricht aus, ein weiterer Sohn, der siebte, hätte das Licht der Welt erblickt.
    Nach dem Hinscheiden von Zareds Mutter, die während einer Belagerung der Burg durch die Howards den Hungertod erlitten hatte, war Zared von ihren sechs älteren Brüdern großgezogen worden. So war sie aufgewachsen, als wäre sie wirklich ein weiterer Bruder. Wie ein Knabe gekleidet, erhielt sie mit vier Jahren den ersten Schwertunterricht, und wenn sie vom Pferd fiel, dann lachten sie alle. Niemals war es Zared gestattet worden, sich als zarte, schwache Frau zu fühlen.
    Aber nun schien es, als sollte sich ihre Erziehung wie ein männlicher Sprößling an den Brüdern rächen. Zared fühlte sich so unabhängig wie irgendein Jüngling von siebzehn Jahren. Sie nahm sich das Recht, das Burggelände zu verlassen, wann immer sie wollte. Dann schnallte sie das Schwert an den Gürtel, verbarg einen Dolch im Stiefel und glaubte, einem Heer von Howards gewachsen zu
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