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Süden und das Geheimnis der Königin

Süden und das Geheimnis der Königin

Titel: Süden und das Geheimnis der Königin
Autoren: Friedrich Ani
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Martin.
    »Zur Abwechslung keine Verspätung, sondern eine Verfrühung. Willst du ein Glas?« Er duzte Sonja, weil er alle Kollegen und Kolleginnen duzte.
    »Nein«, sagte sie.
    »Wenn das so ist, dann leg ich mich hin. Ich war in Palmanova und hab ein paar Sachen gekauft. Essen wir heut Abend zusammen?«
    »Unbedingt«, sagte ich.
    Sie ging durch das Tor zum Gästehaus.
    »Ich hab sie noch nie in einem Rock gesehen«, sagte Martin.
    Im Dienst trug Sonja Feyerabend meist Bluejeans und Pullover, beim Einsatz gelegentlich eine schwarze Schirmmütze aus Leder. Sie war etwas jünger als Martin und ich, einundvierzig, und eher unscheinbar, hohe Stirn, leichte Stupsnase, braune halblange Haare. Und sie hatte grüne Augen wie ich. Eine Zeit lang hatte sie mit dem Leiter unseres Dezernats zusammengelebt, die Beziehung scheiterte in einem Urlaub.
    »Verreisen bringt Verdruss«, hatte Martin gesagt, der noch seltener als ich die Stadt verließ. Allerdings sammelte er Reiseprospekte, Stadtpläne und dergleichen und verschlang die Berichte über fremde Länder und Menschen wie andere Leute Romane.
    »Wir haben gestern eine kleine Trattoria entdeckt, nicht weit von hier«, sagte er.
    »Die wird dir gefallen.«
    »Hast du schon eine Spur zu unserem Italiener?«, fragte ich.
    »Nein«, sagte er.
    »Aber ich hab jemand getroffen, der unseren Italiener kennt.«
    »Wen?«, fragte ich.
    »Signor Fadini, den Verwalter unseres Hotels.«

2
    E r bestand darauf, woanders mit uns zu sprechen.
    »Warum?«, fragte Martin.
    »Herr Hefele kommt bald zurück«, sagte Luigi Fadini.
    »Dann besprechen wir das Abendessen und andere Dinge.«
    Wie ich erfuhr, kochte Roderich Hefele ab und zu für seine Gäste, Fadini und zwei Frauen halfen in der Küche, wobei Fadini hauptsächlich für die Getränke, den Wein und den Grappa, zuständig war. Er schlug eine kleine Bar im Nachbarort vor.
    »Wir können doch zu Walter hinüber gehen«, sagte Martin. So hieß der Inhaber der Bar, in der ich gewesen war. Martin hatte sich am Vorabend mit ihm angefreundet, das hieß, ich vermutete, er hatte so viele Averna bestellt, bis die beiden zwangsläufig in ein Gespräch geraten waren, in welcher Sprache auch immer. Martin sprach genauso schlecht italienisch wie ich.
    »Nein«, sagte Fadini.
    »Herr Hefele ist kein Freund von Signor Walter.«
    »Warum nicht?«, fragte ich.
    » Scusi? «
    Also liehen wir uns Sonjas Lancia aus. Martin fuhr, Fadini saß neben ihm, ich auf dem Rücksitz. Wenn man mit Martin Heuer Auto fuhr, dehnte sich die Zeit. Schneller als mit achtzig Stundenkilometern war er nie unterwegs, aufrecht, fast senkrecht saß er da, beide Hände am Lenkrad, reglos, wahrscheinlich hochkonzentriert, wie jemand, der in dichtem Schneetreiben oder durch eine ihm absolut fremde dunkle Gegend fährt.
    »Bei mir bist du so sicher wie in Abrahams Schoß«, pflegte er zu sagen. Worauf ich zu sagen pflegte: »War Abraham nicht der, der um ein Haar seinen Sohn geschlachtet hätte?« Auf der sanft mäandernden Straße fuhren wir an grünen Weiden und Wiesen vorüber, am Friedhof, am Pappelwald, beides hatte ich vom Bahnhof aus gesehen, an zwei verlassen wirkenden Gehöften, an Steinhäusern aus vergangener Zeit. Im Westen zogen Wolken auf, ein leichter Wind wischte über das Land. Aber als wir aus dem Auto stiegen, war die Luft so heiß und schwer wie zuvor. Fadini und der Wirt der Bar, die direkt an einer Straßenkreuzung lag, begrüßten sich mit Handschlag. Im hinteren Teil befand sich das Restaurant mit gedeckten Tischen. Dorthin setzten wir uns, nachdem Fadini seinen Freund darum gebeten hatte.
    Der Wirt stellte eine Flasche Wasser, Gläser und für Fadini einen Espresso auf den Tisch. Er sagte etwas, das wir nicht verstanden, und ging in den Schankraum zurück. Fadini tat, als habe er nicht zugehört.
    »Sie kennen Signora Roos?«, sagte ich. Es war ein Überfall. Ich hatte plötzlich den Verdacht, wir würden verlieren, wenn wir zu behutsam vorgingen. Unser großer Nachteil war die mangelnde Sprachkenntnis und wir rechneten nicht damit, von den einheimischen Kollegen Unterstützung zu erhalten. Dazu war der Fall zu alt, zu kompliziert. Auch hatte ich keine Lust mich in die Irre führen zu lassen oder im Kreis zu drehen, nur weil wir womöglich den Eindruck erweckten, wir wären freundliche, geduldige, leicht zu manipulierende Polizisten. Ich fing wieder an unangenehm zu schwitzen. Und ich mochte die Blicke nicht, die sich Fadini und der Wirt zugeworfen hatten.
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