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Süden und das Geheimnis der Königin

Süden und das Geheimnis der Königin

Titel: Süden und das Geheimnis der Königin
Autoren: Friedrich Ani
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wurde. Der üppige Garten machte gleichzeitig einen wilden und gezähmten Eindruck, die Bäume, Büsche und Hecken bildeten in einer Art disziplinierter Urwüchsigkeit ein real-paradiesisches Ambiente, in dem in Volieren sogar Papageien herumflogen. Bald darauf begegnete ich auch Erna, dem philippinischen Hängebauchschwein, Liesl, dem Münchner Miniaturschwein, Balduin, der weißen Katze, Jo, dem dritten, undefinierbaren Hund, und Hahn, dem namenlosen Hahn, samt seinem Harem von Hennen.
    Ich war in einem Dorf aufgewachsen und versuchte seither, die Stadt so selten wie möglich zu verlassen, allenfalls um in eine andere Stadt zu fahren. Niemals aufs Land, wo ich augenblicklich in einen Zustand panischer Langeweile verfiel.
    In Tissano jedoch, in dieser stadtfernsten Gegend, inmitten dieser vor Schönheit und Stille berstenden Landschaft gab es Augenblicke, in denen ich vor Zufriedenheit beinah gegrunzt hätte wie Liesl beim Fressen. Ich kam mir sehr merkwürdig vor.
    Nachdem ich geduscht hatte, minutenlang unter kaltem Wasser, zog ich meine schwarzen Jeans und ein frisches weißes Hemd an und ging hinunter in den Garten. Vor dem Anbau, in dem sich früher der Pferdestall befunden hatte und heute der Harem des Hahns und die beiden Schweine hausten, standen Tische und Klappstühle aus Holz. Zwischen dem Blattwerk an der Hausmauer wuchsen Kiwis. Unter meinen Schuhen knirschte der trockene Kies. Vorbei am Turm, in dem ebenfalls ein Gästezimmer ausgebaut worden war, ging ich über die Wiese. Ein paar Meter war Titus hinter mir her geschlichen, dann legte er sich nahe der Hauswand in den Schatten. Auf einem Liegestuhl im kurz gemähten gelbgrünen Gras lag ein Mann, die Beine von sich gestreckt, und schnarchte. Aus zehn Metern Entfernung erkannte ich ihn an seinen Geräuschen.
    Kindisch hielt ich ihm die Nase zu. Er schnappte nach Luft, keuchte und riss die Augen auf. Er schwitzte wie ich zuvor auf dem Weg durchs Dorf.
    »Servus«, sagte ich.
    Er hustete, stöhnte, kratzte sich auf der Brust und stemmte seinen mageren Körper hoch.
    »Hab ich verschlafen?«, fragte Martin Heuer.
    »Keine Ahnung«, sagte ich.
    »Wie spät?«, fragte er.
    Wie immer hatte ich keine Uhr dabei. Er hatte auch keine.
    »Verdammt!«, sagte er.
    Martin trug ein olivgrünes T-Shirt, das er fast völlig durchgeschwitzt hatte, und eine graue Stoffhose. Er war barfuß. Seine wenigen, wie zu einem Nest geformten Haare klebten ihm auf dem Kopf, seine Knollennase war dunkelrot. Im Gegensatz zu mir hatte er eine leptosome Figur. Bevor er aufstand, hob er die Schachtel Salem ohne und die Streichhölzer auf, die er neben den Liegestuhl in die Wiese gelegt hatte.
    »Hat Sonja dich abgeholt?«, fragte er.
    »Nein«, sagte ich.
    »Wieso nicht?«
    »Habe ich mich auch gefragt.«
    »Wie spät?«, fragte er wieder. Dann zündete er sich eine Zigarette an.
    »Der Verwalter meinte, ich wäre zu früh gekommen«, sagte ich.
    Wir gingen zum Hauptgebäude zurück.
    »Wollen wir ein Glas Wein trinken?«, fragte Martin.
    »Unbedingt«, sagte ich.
    Auf seiner Flasche, die neben den anderen im Kühlschrank im Empfangsraum stand, klebte ein kleiner Zettel mit einer Nummer. Der weiße Hund lag immer noch auf dem Sofa und schlief.
    »Das ist Birba«, sagte Martin.
    »Hast du Mr Dober schon getroffen?«
    »Ja«, sagte ich.
    »Titus persönlich.« Martin nahm zwei Gläser aus einem Wandschrank und wir setzten uns draußen an einen der Tische vor dem Anbau.
    »Möge es nützen«, sagte Martin und hob sein Glas.
    »Möge es nützen.«
    Wir tranken. Der Weißwein war kalt und köstlich.
    »Wie war die Fahrt?«, fragte Martin.
    »Sehr gut«, sagte ich.
    »Wie war’s im Tunnel?«
    »Kuschelig«, sagte Martin.
    Dann schwiegen wir. Er schenkte sich nach. Er schwitzte immer noch. Er sah blass aus, wie immer. Ich kannte ihn, seit ich ein Jahr alt war. Er hatte mich überredet zur Polizei zu gehen. Manchmal war ich ihm dankbar dafür. Hinter mir waren Schritte zu hören. Ich drehte mich um. Ein schwarzes Schwein schleppte sich über den Kies.
    »Das ist Erna«, sagte Martin.
    Er schenkte gerade mein Glas voll, da kam Sonja Feyerabend in den Garten, einen Bastkorb in der Hand, einen Strohhut auf dem Kopf.
    »Warum sind Sie schon da?«, fragte sie und gab mir die Hand.
    »Vielleicht war der Zug zu schnell«, sagte ich.
    »Wir haben Sie erst in einer halben Stunde erwartet.« Sie sah auf die Uhr.
    »Wie spät?«, fragte Martin.
    »Halb drei«, sagte Sonja.
    »Komisch«, sagte
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