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Süden und das Geheimnis der Königin

Süden und das Geheimnis der Königin

Titel: Süden und das Geheimnis der Königin
Autoren: Friedrich Ani
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durchgestrichene Trompete. Sofort wünschte ich, es hätte dieses Schild in hundert Kopien auch in dem Dorf gegeben, in dem ich aufgewachsen war. Vielleicht wären mir dann die niederschmetternden Blaskonzerte erspart geblieben, mit denen der Trachtenverein mehrmals im Jahr seine Spendeneinnahmen zu rechtfertigen versuchte.
    Weiße Wolkenschlieren überzogen den blassblauen Himmel, als ich nach einer Viertelstunde den viereckigen Steinturm einer Kirche erreichte, direkt an der Straße. An einigen der bungalowartigen Häuser, an denen ich vorüber gekommen war, hatten Hunde gebellt, ansonsten regte sich kein Leben. Wie ich später erfuhr, hatten viele Bewohner nach einem schweren Erdbeben, das die Region verwüstete, mit der finanziellen Unterstützung des Staates nicht nur solidere, sondern vor allem schönere Häuser bauen lassen, kleine weiße Villen mit breiten Terrassen und Zufahrten, lichten Räumen, Garagen, elektrischen Toren und Alarmanlagen. Im Vergleich zu den ursprünglichen, von der Katastrophe verschont gebliebenen, teilweise unverputzten Steinhäusern wirkten die Neubauten protzig und etwas selbstherrlich, wenngleich die Bewohner zur Dorfgemeinschaft zählten wie alle anderen, jedenfalls die Mehrzahl von ihnen. Schön wäre es gewesen, wenn bei meiner Ankunft im Dorf ein einziges Mitglied dieser Dorfgemeinschaft aufgetaucht wäre und mir weitergeholfen hätte, egal aus welcher Sorte von Behausung.
    Da ich abgeholt werden sollte, hatte ich keine Wegbeschreibung, ich hatte mir nicht einmal den Namen unserer Unterkunft gemerkt. Sämtliche Unterlagen des Falls hatte Martin Heuer im Auto mitgenommen. Nur den Namen des Dorfes wusste ich, und ich hatte mich genau an die Fahrtroute aus dem Internet gehalten: mit dem Nachtzug nach Venedig, von dort weiter nach Udine und dann mit der Regionalbahn nach S. Stefano Udine Tissano.
    Und es hatte geklappt. Ich war da. Mitten im Friaul, an einem phantastischen, dreißig Grad heißen Tag. Allein in einer Geisterstadt. Über der Eingangstür des gelben Gebäudes, vor dem ich stehen blieb und meine Tasche abstellte, hing das Schild eines Gasthauses. Die grünen Läden im ersten Stock waren geschlossen, die kleinen Fenster im Parterre vergittert. Der Verputz bröckelte. In diesem Gasthaus verkehrte schon lange kein Gast mehr. Dafür entdeckte ich schräg gegenüber an einer Kreuzung in einem der neu gebauten, nicht aufgetakelt wirkenden Häuser eine Bar. Vier Stufen führten zur Terrasse hinauf, und ich dachte, das müsste trotz der Hitze zu schaffen sein. Mittlerweile war mein ganzer Körper ein Umschlagplatz für Schweißperlen. Aus unbegreiflichen Gründen trug ich meine an den Seiten geschnürte Lederhose und über dem weißen Hemd meine schwarze Lederjacke. Vielleicht war mein Gehirn durch die intensive Sonneneinstrahlung zu einem Stein verklumpt, jedenfalls kam ich nicht auf die Idee, die Jacke auszuziehen.
    Die Markise über der Terrasse spendete zwar Schatten, brachte aber nicht die geringste Kühle. Ich setzte mich auf einen weißen Plastikstuhl und starrte das bunte Blechschild mit den Namen der Eissorten an. Auf dem Fensterbrett, unter dem ich saß, blühten Geranien in Kästen. Ein älterer Mann kam aus der Bar, offensichtlich der Wirt. Er begrüßte mich auf Italienisch und ich bestellte etwas Unfassbares – eine Cola.
    Ich trinke nie Cola. Ich hasse Cola. Ich ekele mich vor Cola.
    Sitzend schwamm ich in Schweiß. Dann zog ich endlich die Lederjacke aus. Mein Hemd hätte ich auswringen können. Ich schnaufte. Ich war zu dick für diese Hitze. Ich war nicht dick. Ich versuchte zu denken, dass ich nicht dick war. Natürlich nicht. Ich hatte Übergewicht, das war alles. Ich hörte mich sprechen. Der Schweiß lief mir in den Mund. Der Wirt stellte ein Glas Cola mit Eis vor mich hin. Er sagte etwas, das ich nicht verstand. Ich sagte: » Grazie. « Er verschwand im Dunkeln der Bar. Ich trank. Und bevor ich weiter darüber nachdachte, hatte ich das Glas ausgetrunken. Ohne es einmal abzusetzen. Ein grässlicher Geschmack breitete sich in meinem Mund aus. Wieder starrte ich die Eistafel an. Dann fiel mir ein, dass ich seit der Abfahrt in München nichts gegessen hatte. In Venedig wollte ich unbedingt einen Blick auf den Canal Grande werfen und verließ den Bahnhof, das vermutlich hässlichste Gebäude der Stadt. Danach musste ich mich beeilen, um den Anschlusszug nicht zu versäumen.
    Ich sollte hineingehen und etwas zu essen bestellen. Mein Italienisch war lausig. Un
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