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Suche nicht die Suende

Suche nicht die Suende

Titel: Suche nicht die Suende
Autoren: Meredith Duran
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als das. Er war der letzte Mann auf Erden, dem eine Frau mit Verstand vertrauen sollte; fortzugehen – das war seine Art. Dennoch hatte er ihr Vertrauen in seine Hände nehmen und sie verlocken wollen, ihn zu lieben. Und das mit dem mageren Versprechen, nicht die Treue zu brechen und sie nicht zu verlassen. Und worauf beruhte dieses Versprechen? Lediglich auf einem Wort, einer Silbe, unzählige Male ausgesprochen von einer Million Schufte oder mehr: Ja. Wie viele Männer hatten dieses Wort schon vor dem Altar gesagt, während sie bereits ihre kleinen Sünden und Treuebrüche planten? Ihre Eltern hatten sie aufrichtig geliebt, vom Blut her ebenso wie vom Herzen, und Richard hatte das auch getan; aber das hatte sie nicht davon abgehalten fortzugehen. Wie konnte Alex glauben, dass ein einfaches Versprechen stärker sein könnte als das, was ihre Familie und sie miteinander verbunden hatte? Wie konnte er es wagen zu sagen, dass er ihr geben könnte, was ihre eigene Familie ihr nicht hatte geben können? Niemand konnte doch versprechen, für immer zu bleiben.
    »Mistress«, erklang eine Stimme hinter ihr. Es war einer der neuen Hausdiener. Es hatte nur knapp zwei Tage gedauert, genügend Personal zusammenzubekommen; Geld zu haben hatte durchaus auch seine Vorteile. »Lady Anne wünscht sie dringend zu sehen. Sind Sie zu Hause?«
    Gwen drehte sich in ihrem Stuhl herum. Wie merkwürdig, dass von all den Leuten, von denen sie gedacht hatte, sie würden sie hier besuchen – obwohl Elma ihr grollte und die Ramsey-Zwillinge sich auf ihre Bitte hin zurückhielten –, Lady Anne die Erste sein würde. Gwen konnte sich nicht erklären, welchen Grund dieser Besuch haben könnte. Heaton Dale lag von London zwei Stunden Fahrt mit der Eisenbahn entfernt, keine kleine Mühe für ein Mädchen, dessen Stundenplan bemerkenswert vollgestopft war – wie Anne in ihren regelmäßigen Briefen stets betonte.
    Gwen atmete tief die warme Luft ein. »Führen Sie sie zu mir«, sagte sie und wandte sich wieder dem Ausblick über die Landschaft zu.
    So viel Land. Sie hatte keine Ahnung, was sie mit alldem anfangen sollte. Sie hatte es umgestaltet und wieder neu gestaltet, damit es anderen gefiel. Damit es dem Geschmack zweier Männer entsprach, die sich nie die Mühe gemacht hatten, nach Gwens Geschmack zu fragen. Keiner der beiden war hergekommen und hatte sich angesehen, was sie für sie geschaffen hatte. Am Ende war die einzige Veränderung, die weiterbestehen würde, jene, die sie selbst erfahren hatte. Alex irrte sich. Sie konnte sich durchaus ändern. Sie würde nicht länger danach streben zu gefallen. Sie konnte für sich – und auch damit zufrieden – sein. Romantische Liebe war nicht so dick wie Blut. Dieses Gefühl der Trauer, das von Zeit zu Zeit so spürbar wie der Schnitt eines Rasiermessers war, oder so betäubend und niederdrückend wie ein Felsbrocken auf der Brust – es würde mit der Zeit weniger werden. Alex würde sie vergessen, und sie würde ihn vergessen. Sie gehörten nicht zu einer Familie, und nichts Dauerhaftes band sie aneinander. Menschen konnten sich ändern.
    Er würde das erkennen. Er selbst hatte sich doch auch verändert. Er war von einem kranken Jungen zu einem starken vitalen Mann geworden. Er hatte Opfer dafür gebracht, er hatte Verbindungen abgebrochen und Beziehungen gemieden. Auch sie hatte Opfer gebracht. Um der Mensch zu werden, der sie sein musste – eine Frau, die mutig genug war, einen Garten nach ihrem Geschmack zu gestalten; eine Frau, die auf ihr Recht vertraute, ihren eigenen Wünschen zu folgen. Sie hatte
ihn
geopfert.
    Nur … die Gedanken in ihrem Kopf fühlten sich nicht an, als gehörten sie zu einer solchen Frau. Sie kreisten um eine dunkle Grube, in die sie zuvor geblickt hatte, als sie die Menschen verloren hatte, die sie geliebt hatte.
    Er lebte zwar, doch sie trauerte um ihn, als sei er tot.
    Sie schloss die Augen. Sie würde nicht weinen.
    Hinter sich hörte sie Schritte, die näher kamen, aus dem Haus. Froh um diese Ablenkung stand Gwen auf. »Anne«, sagte sie. Ihre Stimme klang wie Kies.
    »Gwen!« Das Mädchen sah strahlend aus, glänzte in seinem schimmernden Tageskleid. Sie kam auf Gwen zu und gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange. »Was für ein schönes Haus«, sagte sie. »Und welch ein wunderbar angelegter Garten!«
    Gwen brachte ein Lächeln zustande. »Er wird noch wunderbarer werden.« Sie würde den Garten umgestalten, an den Abenden, wenn ihre Gedanken am
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