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Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln

Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln

Titel: Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln
Autoren: Christoph Hardebusch
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Ihr alter Widersacher Hoare galt zwar als im Gefecht
vermisst, aber ihr Rückhalt innerhalb der Mannschaft war vermutlich gering, und Meuterei hing auf der Mantikor zwischen den Decks wie alte, stickige Luft.
    Werde ich wie Harfell? , fragte sich die junge Offizierin unvermittelt. Misstrauisch den eigenen Leuten gegenüber? Paranoid ? Sie schwor sich, nicht die gleichen Fehler zu machen wie der verstorbene Kapitän. Aber es ließ sich nun einmal nicht leugnen, dass sie unter ungewöhnlichen Umständen das Kommando übernommen hatte, und auch nicht, dass es ihr noch an Erfahrung mangelte. Ich wünschte, Cearl hätte sich nicht wie ein verfluchter Narr selbst geopfert . Dann wäre der Erste Offizier Nachfolger des Kapitäns geworden; so wie es eigentlich hätte sein sollen.
    »Heute Abend Dinner in mein… in der Kapitänskajüte, Leutnant?«
    »Äh, gern. Ich meine natürlich, Thay.«
    Innerlich belustigt darüber, dass Tola in diesem Augenblick doch eher wie das Mädchen wirkte, das sie eigentlich war, nickte Roxane.
    »Geben Sie bitte den anderen Offizieren Bescheid, wenn Sie so gut wären.«
    »Aye, aye, Thay!«
    Mit vor Aufregung roten Backen salutierte Tola und lief den Niedergang hinab. Einen Moment sah Roxane ihr nach, dann richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Führung des Schiffes. Ein prüfender Blick zeigte ihr, dass die Segel ordentlich gespannt waren und sie gut Fahrt machten. Hinter ihnen waren die beiden anderen Schiffe zu sehen, die ebenfalls gut vor dem Wind lagen. Irgendwo auf der Windreiter würde Jaquento jetzt stehen. Vielleicht schaut er ja zu mir herüber ? Aber sie vertrieb diese Gedanken so schnell, wie sie gekommen waren. Sie war Offizierin der Königlichen Marine von Thaynric und derzeit verantwortlich für mehr als zweihundert Menschen
allein auf diesem Schiff. Mehr als ein Drittel der ursprünglichen Besatzung ist tot oder verwundet . Die junge Offizierin kannte die Namen der Toten. Sie hatte jeden einzeln aus den Büchern in ihren Bericht übertragen, fein säuberlich mit Rang und ausstehender Heuer. Jeder dieser Namen brannte in ihrem Geist und erinnerte sie daran, dass sie versagt hatte.
    Um sich abzulenken, schaute sie nach dem Stand der Sonne. Wenn diese im Zenith stand, würde Roxane noch einmal ihre Position so gut überprüfen, wie es möglich war. Ihr Chronometer war während des Gefechts beschädigt worden, und so blieb ihr erst einmal nur eine einfache Taschenuhr für die Navigation mit Sextant und nautischem Almanach. Dank der ständigen Messungen ihrer Geschwindigkeit war die Koppelnavigation hinreichend genau, aber Roxane wollte sichergehen. Einen Fehler bei der Navigation konnte sie sich nicht mehr erlauben. Zum Glück waren die Inseln der südöstlichen Sturmwelt ausreichend genau kartographiert, aber dennoch rechnete Roxane immer wieder ihre Position aus.
    Schon bald mussten sie wieder in Sichtweite einiger Inseln kommen, und dann würde ihre Fahrt nach Lessan in knapp zwei Tagen vorüber sein. Dort befand sich der Sitz von Admiral Holt, unter dessen Flagge die Königliche Marine in der Sturmwelt fuhr. Sobald sie eintrafen, musste sich Roxane ihren Vorgesetzten stellen, und möglicherweise würde es ein Kriegsgericht geben, das über ihre Handlungsweise urteilte. Vor diesen Momenten graute der jungen Offizierin, denn sie trug die Verantwortung für die Geschehnisse an Bord. Cearl Frewelling und Kapitän Harfell sind tot, Aella schwer verletzt. Es ist meine Bürde, der Marine zu erklären, wie es dazu kommen konnte . Sie richtete sich steif auf und legte die Hände auf dem Rücken zusammen. Obwohl sie vermutete, dass ihr das Ende ihrer Karriere bevorstand, vielleicht sogar eine Bestrafung, auf jeden Fall der Verlust der Ehre, war sie fest entschlossen,
jedem möglichen Ausgang mit aller Würde zu begegnen, die ihr nach den Ereignissen noch geblieben war. Admiral Holt würde versuchen, sie für den Tod seines Freundes Harfell verantwortlich zu machen. Der Admiral hielt ohnehin nicht viel von Frauen in Uniform und vermutlich noch weniger von Roxane; zumindest hatte er bei ihrer ersten Begegnung einen nicht allzu erfreuten Eindruck gemacht.
     
    Beim Dinner war die Stimmung gedrückt, doch Roxane hatte auch nichts anderes erwartet. Coenrad Groferton hatte sich entschuldigen lassen, und auch wenn Roxane kurz befürchtet hatte, dass er sich bereits von ihr und ihrem Schicksal distanzieren wollte, hatte sie sich schnell wieder gefangen; der Maestre machte sich wenig aus
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