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Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln

Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln

Titel: Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln
Autoren: Christoph Hardebusch
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dem sozialen Leben an Bord, und seine Gesundheit war angeschlagen, wie er oft und deutlich betonte. Der Versuch, das Schiff während des Gefechts zu schützen, hatte ihn ausgelaugt, und seine Kräfte kehrten nur langsam zurück. Nicht einmal mehr zu den üblichen Wortgefechten mit Caserdote Sellisher konnte er sich aufraffen. Der ältere Mann saß schweigend am Tisch. Der Tod des Kapitäns hatte den jovialen Caserdote schwer getroffen.
    Die kommissarischen Leutnants waren alle anwesend. Aella lag noch im Schiffslazarett, fiebrig und dem Tode nahe. Schuld belastete Roxanes Gemüt, als sie an ihre ehemalige Vorgesetzte dachte. Ihr Arm war nicht zu retten gewesen, und Schiffsärztin Tabard hatte ihn amputieren müssen. Selbst wenn sie ihren Dienst jemals wieder aufnehmen durfte, war ihrer aktiven Laufbahn als Seeoffizierin wohl ein blutiges Ende gesetzt worden.
    Von allen Anwesenden wirkte Leutnant Cudden am wenigstens von den Strapazen und Verlusten der Reise berührt. Der Kommandeur der Marinesoldaten an Bord trug wie stets seine rote Uniformjacke und schien nicht weiter zu bemerken,
dass die Hälfte der Anwesenden noch halbe Kinder waren, die erst durch die Vorfälle der Reise und durch die Seeschlacht vor der Insel Hequia zu ihrem jetzigen Rang gelangt waren.
    Während des Essens wurde nur das Nötigste gesprochen. Roxane konnte allen Gesichtern ansehen, dass sie ihren eigenen Gedanken nachhingen. Jeder an Bord hatte etwas verloren in diesem Gefecht; Freunde, Kameraden, die eigene Unschuld. Sie konnte es in den Augen der ehemaligen Fähnriche sehen, die nun keine Kinderaugen mehr waren. Ich muss sie beschützen , dachte die junge Offizierin. Ich darf nicht zulassen, dass mein Untergang sie mit sich reißt . Andere würden auf sich selbst achten können, wie Cudden, der das Schlamassel sicherlich unbeschadet überstehen würde. Aber die kommissarischen Leutnants waren zu jung und unerfahren, um die Situation richtig einzuschätzen. Zum Glück befinden wir uns im Krieg. Thaynric braucht jeden Mann und jede Frau, die etwas taugen. Die Admiralität wird versuchen, die Verluste auf der Mantikor zu minimieren .
    Lustlos schob sie ein weichgekochtes Stück Fleisch von einer Seite ihres Tellers auf die andere. Der Appetit war ihr vergangen, und das Pökelfleisch trug nicht dazu bei, ihren Hunger anzuregen. Unvermittelt wurde sie sich der Enge der Kajüte bewusst, der stickigen Luft, und sie erhob sich, um eines der Heckfenster zu öffnen. Dankbar atmete sie die Seeluft ein, den unverkennbaren Geruch des Meeres, den sie so liebte. Hinter ihnen war die Windreiter im letzten Licht der Sonne zu erkennen, ein dunkler Schatten vor dem noch hellen Horizont, nur beleuchtet durch einige Lampen. Möwen kreisten hinter dem Schiff, und ihre Schreie klangen in Roxanes Ohren sehnsüchtig. Die See war ruhig, und ihr Anblick gab der jungen Offizierin ihre Gelassenheit zurück.
    »Sind alle fertig?«, fragte sie, als sie sich wieder umdrehte. Ein allgemeines Nicken antwortete ihr, und sie wies den
Stewart an, die Gläser mit Portwein zu füllen. Dann setzte sie sich wieder hin – es war uralter Brauch und ein Privileg der Königlichen Marine, dass der Toast im Sitzen gesprochen werden durfte – und hob das Glas.
    »Auf die Königin!«
    »Auf die Königin«, erwiderten die versammelten Offiziere und tranken den ersten Schluck.
    »Würden Sie uns die Ehre erweisen, Thay?«, wandte sich Roxane an Cudden, der steif nickte. Seine Wangen waren gerötet, als er sagte: »Auf einen blutigen Krieg.«
    »Oder eine Zeit der Seuchen«, murmelten alle, selbst Roxane, die bei dem Toast zusammengezuckt war. Es war eine alte Tradition der Marine, in dieser Weise auf eine Beförderung zu trinken, die zumeist nur in den Schuhen der Toten erlangt wurde. Für jeden Tag der Woche gab es einen anderen Toast, doch dass ausgerechnet dieser heute an der Reihe war, hatte sie verdrängt. Dennoch lächelten die meisten, als sie ihr Glas leerten. Vielleicht ist es dieser Galgenhumor, der unser Leben erst erträglich macht ?
    Bald nach dem Toast löste sich die Dinnergemeinschaft auf. In kurzer Folge verließen die Offiziere die Tafel, bis nur noch Tola Levman saß, die Hand fest um das Glas mit dem letzten Schluck Port geschlossen. Als der Stewart die Teller abgeräumt hatte, schickte Roxane ihn hinaus. Erst als sie allein waren, hob Tola den Blick.
    »Was wird in Lessan geschehen, Thay?«
    Einige Momente lang überlegte Roxane, bevor sie antwortete: »Ich werde
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