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Echo gluecklicher Tage - Roman

Echo gluecklicher Tage - Roman

Titel: Echo gluecklicher Tage - Roman
Autoren: Lesley Pearse
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1
    1893, L IVERPOOL
    »Hör auf, diese Teufelsmusik zu spielen, und komm her und hilf mir«, schrie Alice Bolton wütend aus der Küche.
    Die fünfzehnjährige Beth grinste darüber, wie ihre Mutter ihr Geigenspiel beschrieb, und war versucht, noch lauter und wilder weiterzumachen. Aber Alice war in letzter Zeit leicht reizbar und würde vermutlich kommen und ihr die Geige wegnehmen, deshalb legte Beth sie zurück in den abgewetzten Kasten und verließ die Stube, um zu tun, worum ihre Mutter sie gebeten hatte.
    Sie hatte gerade die Küche erreicht, als ein dumpfes Geräusch aus dem Laden unter ihrer Wohnung heraufdrang, dicht gefolgt von einem, das sich anhörte, als ob schwere Gegenstände zu Boden fielen.
    »Was zur Hölle war das denn?«, rief Alice und drehte sich am Herd mit der Teekanne in der Hand um.
    »Ich schätze, Papa hat wieder etwas umgestoßen«, erwiderte Beth.
    »Dann steh nicht da rum, geh hin und sieh nach«, fuhr ihre Mutter sie an.
    Beth blieb auf dem Treppenabsatz stehen und blickte über das Geländer auf die Treppe, die in den Laden führte. Sie konnte unten etwas herumrollen hören, aber es erklang nicht das übliche Fluchen, das jeden Unfall normalerweise begleitete.
    »Geht es dir gut, Papa?«, rief sie.
    Es dämmerte bereits, und obwohl sie die Gaslampen oben noch nicht entzündet hatten, war Beth überrascht, dass von unten kein Schein von den Lampen im Laden heraufdrang. Ihr Vater war Schuhmacher, und da er für die Feinarbeiten viel Licht brauchte, zündete er die Lampen immer schon an, bevor das Tageslicht draußen schwächer wurde.
    »Was hat der ungeschickte Tölpel jetzt wieder gemacht?«, bellte ihre Mutter. »Sag ihm, er soll für heute aufhören zu arbeiten. Das Abendessen ist fast fertig.«
    Auf der Church Street, einer von Liverpools Haupteinkaufsstraßen, waren um sieben Uhr abends nur noch wenige Pferdewagen und Kutschen unterwegs, also hätte ihr Vater die beleidigende Bemerkung ihrer Mutter klar und deutlich hören müssen. Als er nicht darauf reagierte, glaubte Beth, dass er auf dem Plumpsklo im Hinterhof sein müsse und dass vielleicht eine herumstreunende Katze in den Laden gekommen war und etwas umgeworfen hatte. Das letzte Mal, als das passierte, war der Inhalt eines Leimtopfes über den gesamten Boden gelaufen, und es hatte Stunden gedauert, das alles wieder sauber zu machen, deshalb lief sie schnell hinunter, um nachzusehen.
    Ihr Vater war nicht auf dem Plumpsklo, denn die Tür, die auf den Hinterhof hinausführte, war von innen verriegelt, und als sie in den Laden ging, lag dieser im Halbdunkeln, denn die Rollos waren heruntergezogen worden.
    »Wo bist du, Papa?«, rief sie. »Was war das für ein Lärm?«
    Eine Katze war nirgendwo zu sehen, und es war auch nichts in Unordnung. Die Tür zur Straße war zu und der Riegel vorgeschoben; außerdem hatte er den Boden gekehrt, seine Werkbank aufgeräumt und seine Lederschürze wie jeden Abend an den Haken gehängt.
    Verwirrt wandte Beth sich um und blickte zum Lagerraum, wo ihr Vater das Leder, die Schnittmuster und andere Dinge aufbewahrte, die er brauchte. Er musste dort drin sein, aber sie konnte sich nicht vorstellen, wie er da drinnen bei geschlossener Tür etwas sehen konnte, denn selbst bei Tageslicht war es dort sehr düster.
    Eine dunkle Vorahnung ließ ihre Haut prickeln, und sie wünschte, ihr Bruder Sam wäre zu Hause. Aber er brachte gerade ein Paar Stiefel zu einem Kunden, der einige Kilometer entfernt wohnte, deshalb würde es noch dauern, bis er wieder zurück war. Sie wagte es nicht, ihre Mutter zu rufen, aus Angst, sich eine Kopfnuss einzufangen, weil sie »fantasierte«; diesen Ausdruck benutzte Alice immer, wenn sie fand, dass Beth überreagierte. Aber ihre Mutter fand ja auch, dass eine Fünfzehnjährige nichts anderes im Kopf haben sollte als die Verbesserung ihrer Fertigkeiten im Nähen, Kochen und anderen Dingen des Haushalts.
    »Papa!«, rief Beth und drehte den Knauf der Lagerraumtür. »Bist du da drin?« Die Tür öffnete sich nur einen Spaltbreit, so als stünde etwas dahinter, deshalb drückte sie mit der Schulter dagegen und schob. Sie konnte etwas über den Steinfußboden scharren hören, vielleicht einen Stuhl oder eine Kiste, die im Weg war, deshalb schob sie fester, bis die Tür weit genug aufstand, sodass sie in den Raum blicken konnte. Es war viel zu dunkel, um etwas zu erkennen, aber sie wusste, dass ihr Vater darin war, denn sie konnte seinen vertrauten Duft riechen, eine Mischung
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