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Sturmbote

Sturmbote

Titel: Sturmbote
Autoren: Tom Lloyd
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Überlebenden auf dem Boden, an der Stelle, an der sie noch vor kurzem erwartet hatten, von den wütenden Horden zerrissen zu werden. Keiner brachte die Kraft auf, zu sprechen. Wer noch eine Pfeife hatte, stopfte sie nun und teilte sie mit den anderen. Ein narbengesichtiger Mann mit ergrauendem Haar fand es zu anstrengend, die wenigen Schritte wieder zurückzulaufen, nachdem er seine Pfeife an der Fackel am Tempeleingang entzündet hatte, und ließ sich nicht weit von Isak auf die Stufen sinken. Er fing an zu rauchen und bot schließlich auch Isak die Pfeife an – beinahe schüchtern.
    Der Tabak war das übliche grausige Soldatenkraut, übelschmeckend, schwarz und bitter, und gewöhnlich hätte sich Isak über den schrecklichen Geschmack auch beschwert, aber dies waren eben keine gewöhnlichen Umstände, und so stöhnte er beinahe vor Wonne.
    Da er den Gestank der Toten, des Blutes und der Scheiße – und nicht zuletzt den seines eigenen bitteren Schweißes – vertrieb, und sei es nur für einen Augenblick, war der Tabak ein Segen, der der verteidigten Tempel würdig war.
    Für diese wenigen hundert Seelen, die zwischen den Überresten eines Gemetzels mit ungekannten Ausmaßen vor dem Tempel Tods saßen, würde der Geruch bitteren Tabaks für den Rest ihres Lebens etwas Heiliges an sich haben.
    Nach einigen Minuten erklangen Geräusche in der Entfernung. Als man den Klang beschlagener Hufe auf dem Pflaster darin erkannte, hoben sich die Köpfe. Trotz des Chaos überall schaffte es der Laut, geordnet und geradezu adrett zu klingen.
    »Das ist dann wohl General Lahk«, murmelte Isak. Er blickte sich um, aber auch von den anderen machte keiner Anstalten, sich zu erheben. Vesna grunzte bestätigend, darüber hinaus nahm jedoch niemand Notiz. Isak ließ sich die Pfeife erneut geben, nickte dem Soldaten dankend zu und ließ den Blick über die Verheerung auf dem Tempelplatz schweifen.
    So viele Tote – und er wusste nicht einmal genau, warum. War er deswegen in die Stadt gelockt worden? War er nur ein Hindernis bei Azaers Bemühung gewesen, mit König Emin abzurechnen? Aber nein, das konnte nicht stimmen, denn der verräterische Mann des Königs, Ilumene, hatte doch versucht, ihn hierherzulocken … oder war das eine Finte gewesen? Isak stützte den Kopf auf die Hände, das Nachdenken wurde ihm zu anstrengend. Er wusste nur, dass er alle alten Rechnungen beglichen hatte, und dass er unbedingt nach Hause wollte. Es gab dort ausreichend Probleme und er hatte wirklich genug von Scree.
    Jemand rief seinen Namen und mühsam hob er den Kopf. General Chotech kam mit unsicherem Schritt auf ihn zu. Er war blutbesudelt und hatte einiges abbekommen, aber die Axt ruhte auf seiner Schulter und nach Art der Chetse beachtete er seine offensichtlichen Verletzungen nicht weiter.
    »Bevor Eure Armee hier eintrifft, möchte ich Euch um einen Gefallen bitten«, sagte er, als er Isak erreicht hatte.
    Isak runzelte die Stirn. »Ich warne Euch, ich bin nicht gerade in Geberlaune.«
    Dies rief bei den Soldaten in der Nähe ein halbherziges Lachen hervor, aber der General nahm Isak beim Wort. »Ich bitte Euch nur darum, mit mir zusammen zu beten.«
    Isak war dankbar, dass ihm die Kraft fehlte, laut loszulachen, denn das hätte der General gewiss falsch verstanden. Stattdessen sah er den Mann ruhig an. »Ein Gebet? Zu wem? Tod? Nach dem, was wir mit angesehen haben?«

    »Wir haben überlebt«, antwortete Chotech. »Wir haben überlebt, obwohl die Chancen schlecht standen. Tods kriegerische Aspekte haben uns gerettet und ich habe vor, ihm dafür Dank zu sagen.«
    Isak wollte widersprechen, konnte aber keinen Grund dafür finden. Genaugenommen hatte der General recht, und auch wenn es ihm nicht immer passte, so war Isak doch ein Lord im Dienste der Götter. Dieser Gedanke amüsierte das Weißauge und wirkte gleichzeitig Übelkeit erregend, war doch seine mangelnde Frömmigkeit stets offensichtlich gewesen. Dennoch schien es nicht seine Absicht zu sein, die Farlan von den Göttern zu entfernen. Wer so etwas versuchte, bezahlte unweigerlich für seine Anmaßung.
    Er nickte General Chotech stumm zu, kämpfte sich auf die Füße und lehnte mit einer Geste Oberst Jachens Hilfe ab, der aufsprang. Seite an Seite mit dem alternden Ritter der Tempel ging Isak die verbleibenden zwei Stufen hinauf und dann den Hauptgang auf den schwarzen Obsidianblock zu, der den Hochaltar darstellte.
    Ihre Schritte hallten durch das leere Gebäude, hinauf zu den
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