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Sturm

Sturm

Titel: Sturm
Autoren: Claudia Kern
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andere geschickt, ich bin wohl nur zuerst eingetroffen.«
    Aus den Augenwinkeln sah er, wie die Reiter sich Blicke zuwarfen. Einer von ihnen flüsterte Balderick etwas ins Ohr.
    »Wie sieht mein Sohn aus?«, fragte der Fürst.
    »Sein Kopf ist geschoren, und er trägt einen Bart, der Kinn und Wangen bedeckt. Er ist stark und wendig, ein großer Krieger.«
    Balderick nickte. Die Falten in seinem Gesicht glätteten sich. »Das ist er.«
    Er sah einen der Reiter hinter Gerit an. »Gebt den Befehl, die Armee zu wenden. Wir nehmen den Pass.«
    »Ja, Herr.«
    Gerit senkte den Kopf. Er fühlte sich schuldig.
     
     
    Es dauerte fast die ganze Nacht, den Befehl auszuführen. Die Flüche und Rufe der Soldaten hielten Gerit in dem Sklavenzelt, in dem man ihn untergebracht hatte, wach. Erst gegen Mittag zog der Tross weiter nach Osten, dem Tal entgegen.
    Fürst Balderick bestand darauf, dass Gerit bei ihm und den Offizieren ritt. Immer wieder stellte er ihm Fragen zu Rickards Sieg, und immer wieder sah er ihn an, so als überlege er, wo sie sich schon einmal begegnet sein konnten. Wenn er ihm keine Fragen stellte, erzählte Balderick von seinen eigenen Siegen. Der Name Korvellan fiel dabei kein einziges Mal, obwohl sie jahrelang Seite an Seite gekämpft haben mussten.
    Gerit fragte sich, wie sehr Balderick den General hasste.
    Die wenigen leichten Reiter, die mit der Armee zogen, sandte der Fürst als Späher aus. Am zweiten Tag kehrte einer von ihnen nicht zurück. Fryderich, der Offizier, der Gerit angesprochen hatte, wirkte besorgt, Balderick nicht. Er sandte zwei weitere Späher in die gleiche Richtung aus, die bei ihrer Rückkehr nichts Auffälliges zu berichten wussten. Das beruhigte Fryderich.
    Quälend langsam bewegte sich die Armee die Straße entlang. Erst am Morgen des vierten Tages sah Gerit das Tal vor ihnen auftauchen. Er warf einen kurzen Blick auf Balderick, der neben ihm ritt, fragte sich, ob er die Falle ebenso klar sehen konnte wie er selbst.
    »An den Roten König erinnerst du dich natürlich nicht mehr«, sagte der Fürst gerade. »Weißt du, warum man ihn so nannte? Weil er angeblich im Blut seiner getöteten Feinde badete. Es hieß, er glaube, das mache ihn unverwundbar. Was für ein verrückter Bastard.«
    »Herr?«, fragte Fryderich von seiner anderen Seite. »Ich schlage vor, dass wir hier lagern und weitere Späher aussenden. Hier in dieser Gegend ist der erste Kundschafter verschwunden.«
    Balderick schüttelte den Kopf. »Dann verlieren wir den ganzen Tag. Der Pass bleibt nicht ewig frei.«
    Fryderich presste die Lippen aufeinander. »Ja, Herr.«
    Nur ein Satz, dachte Gerit. Nur ein Satz von mir könnte alles aufhalten.
    Er hatte Ereignisse in Bewegung gesetzt, die vielleicht den Lauf der Welt verändern würden. Ein seltsames Gefühl kitzelte seinen Magen, wenn er daran dachte. Es war nicht unangenehm, nur fremd und neu.
    Ein einziger Satz würde reichen, aber er sprach ihn nicht aus, ritt nur schweigend und nickend neben Balderick ins Tal hinein.
    Mit jedem Schritt, den sie weiterkamen, nahm das Kitzeln in seinem Magen zu, wurde zu einem schmerzhaften Pochen. Seine Hände waren schweißnass und kalt. Unablässig suchten seine Blicke die Hügel auf beiden Seiten der Straße ab. Die Geschichten, die Balderick neben ihm erzählte, drangen kaum noch zu ihm durch. Erst als er das Wort Somerstorm hörte, konzentrierte er sich mühsam darauf.
    »Man hätte das Land nie diesem Sklavenhändler geben sollen, Gold oder kein Gold. Land verteilt man nicht wie Brotscheiben. Man müsste diesen Tieren beinahe dankbar sein, dass sie dem ein Ende gemacht haben, vor allem …«
    Er unterbrach sich, »Jetzt weiß ich, an wen du mich erinnerst. Den kleinen Somerstorm, den Bruder von Ana.«
    Gerit erstarrte. Baldericks Augen weiteten sich. »Zurück!«, schrie er plötzlich. »Das ist eine Falle!«
    Er griff nach seinem Schwert. Um ihn herum brach Chaos aus. Die Reiter versuchten seinem Befehl zu folgen, schrien ihrerseits der Infanterie Befehle zu. Gerit ließ sich aus dem Sattel fallen, brachte das Pferd zwischen sich und Balderick.
    Der Fürst schlug zu. Das Schwert rutschte am Sattel ab und riss den Rücken des Pferdes auf. Die Zügel wurden Gerit aus der Hand gerissen, als es schrill wiehernd stieg. Seine Vorderhufe trafen eines der Kriegsrösser und den Mann, der darauf saß. Sein Schrei mischte sich in das Wiehern.
    Gerit tauchte unter das Kriegsross. Hufe schlugen vor und hinter ihm, rechts und links in den
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