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Stumme Angst (German Edition)

Stumme Angst (German Edition)

Titel: Stumme Angst (German Edition)
Autoren: Christina Stein
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müsste es goose-skin heißen.
    »Dann aber auch muscle- tomcat «, sagte er und strich ihr die Haare aus dem Gesicht. »Kein Mensch sagt Muskel katze .«
    Was bleibt, sind solche Gedanken. Allenfalls noch sein Tasten zur anderen Seite des Bettes, die Vorstellung ihres Körpers auf den Kissen. Noch könnte sie einen Grund haben, so lange fortzubleiben, noch ist erst Sonntag. Sich mal zwei Tage nicht zu melden – was ist schon dabei. Wenn man einen guten Grund hat.
    Er fährt mit dem Fahrrad zu Annas Wohnung und erwischt eine Reihe loser Pflastersteine. Er mag das klackernde Geräusch, als wäre der Untergrund ein Xylophon. Doch heute hat er Kopfschmerzen, außerdem ist ihm schlecht, warum musste er gestern auch so viel Bier in sich reinkippen. Kapitän behagt das Rütteln ebenfalls nicht, er dreht den Kopf nach hinten und schaut ihn vorwurfsvoll an.
    Liam wechselt auf den Fahrradweg, die Steigung der Brücke macht ihm zu schaffen, sein Magen rebelliert, noch immer sind es 30 Grad. Er steigt ab und schiebt den Rest, ohnehin ist er viel zu früh dran für das Treffen mit Marie. Gestern Abend noch hatten sie sich verabredet. Vereinbart, sich vor Annas Wohnung zu treffen und dort zu klingeln, vielleicht den Hausmeister zu fragen, ob er ihnen aufschließen würde. Erst danach wollten sie entscheiden, wann sie zur Polizei gingen.
    Was Anna so machte, fragte ihn Felix gestern, ob was nicht stimmte.
    Man lernt einen Menschen gut kennen, wenn man sich mit ihm ein Büro teilt. Man lernt, Zeichen zu interpretieren.
    »Wie kommst du darauf?«, wollte Liam trotzdem wissen.
    »Du rauchst. Das hattest du dir doch abgewöhnt.«
    Er nickte, die Zigaretten schmeckten nicht mal.
    »Anna meldet sich nicht«, gestand er Felix, der nachdenklich sein Bierglas drehte und schließlich die Frage stellte, die anscheinend jeder in so einer Situation stellen muss: »Habt ihr euch gestritten?«
    Doch wenigstens meinte er nicht: Das wird schon.
    Felix ist einer, der nachdenkt, bevor er den Mund aufmacht.
    Liam gab zu: »Ich habe sogar schon in Krankenhäusern angerufen, mindestens in zehn, den ganzen Nachmittag war ich damit beschäftigt.«
    »Und hast du mit ihrer Freundin gesprochen? Der Gräfin mit ihrem Siegelring?«
    Liam grinste bei dem Gedanken an den Abend, den sie zu viert verbracht hatten: Anna, Marie, Felix und er.
    Anna hatte ursprünglich geplant, Marie und Felix zu verkuppeln; ein Unterfangen, das mächtig in die Hose gegangen war, weil Felix die meiste Zeit über ironisch gewesen war und Marie kein Gespür dafür gehabt hatte.
    »Hast du wirklich gedacht, du könntest die beiden verkuppeln ?«, hatte er Anna nach dem Treffen ungläubig gefragt.
    Ihr Schulterzucken, das nachdenkliche Gesicht auf dem Nachhauseweg.
    »Einen Versuch war es wert. Marie hatte seit Ewigkeiten keinen Freund mehr.«
    »Wie auch. Wenn der ebenfalls adelig sein muss, besteht der Markt für sie aus lauter Inzuchtfreaks.«
    Es waren Bemerkungen wie diese, die Anna auf die Palme brachten. Dass sie auch immer ihren Heiligenschein anknipsen musste! Meine Güte, eigentlich hatte er nichts gegen Marie, sie war nur manchmal etwas anstrengend mit ihrem adeligen Getue. Trotzdem hatte er gleich die Quittung bekommen: Warum er immer so abfällig über sie sprechen müsste, ihr Familienumfeld wäre schwierig, da könnte Marie nichts dafür.
    Wie sie jetzt vor Annas Wohnung steht: mit Handtasche, Rock und Sommerhut. Ein wenig erinnert sie Liam wirklich an die Adeligen aus den Klatsch-Zeitschriften, winkende Hände kommen ihm in den Sinn, perfekt sitzende Kostüme.
    Maries Lächeln unter dem Hut. Sie muss die Krempe festhalten, damit sie nicht verrutscht, als sie ihn auf beide Wangen küsst. Danach streichelt sie den Hund, sie ist die Einzige, die ihn Ahab nennt.
    »Wollen wir gleich mal klingeln?«, schlägt sie vor. Er nickt und stellt das Rad in den Innenhof.
    Sie drücken die Klingel, einmal, zweimal, dreimal, sie legen die Ohren an die Tür.
    Seine Vorstellung von Anna. Dort in ihrer Wohnung könnte sie liegen, vielleicht gestürzt, vielleicht mit dem Kopf aufgeschlagen. Die Übelkeit in seinem Magen wird schlimmer, für einen Moment wird ihm schwindelig, er sucht Halt an der Wand.
    »Ich kenne den Hausmeister. Wenn wir Glück haben, ist er zu Hause.«
    Sie haben Glück, und er öffnet, aus seiner Wohnung strömt der Geruch von alten Leuten. Liam versucht, in eine andere Richtung zu atmen. Wenn’s schnell gehen muss, überlegt er, wo könnte ich dann hinkotzen?
    Im
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