Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stuermischer Zauber

Stuermischer Zauber

Titel: Stuermischer Zauber
Autoren: Mary Jo Putney
Vom Netzwerk:
verglich, was die Adeligen Londons normalerweise trugen.
    Nur seine grauen Augen waren bemerkenswert. Gwynne erinnerte sich an eine Vorlesung in Naturkunde, an der sie mal teilgenommen hatte. Der Vortragende hatte erzählt, dass Elektrizität eine wilde, mysteriöse Kraft war, die nicht kontrolliert werden konnte und die niemand verstand. Sicher war es Elektrizität, die in Ballisters Augen funkelte und in der bloßen Luft zwischen ihnen tanzte und knisterte …
    Sie verbrachte eindeutig zu viel Zeit damit, Sir Anselm zu lauschen. Seine Metaphern waren ansteckend. »Ihr wart auf dem Kontinent, Lord Ballister?«, fragte sie höflich.
    »Ich bin erst gestern nach London zurückgekehrt. Heute Morgen hat Falconer mich aus dem Bett gezerrt und mir geschworen, Lady Bethany würde es nichts ausmachen, wenn ich ohne Einladung herkomme.«
    »Der Junge wäre eher in Schwierigkeiten geraten, wenn er Euch nicht mitgebracht hätte«, sagte Bethany streng. »Ich hoffe, Ihr bleibt eine Zeit lang in London, Ballister?«
    »Ja, obwohl ich mich danach sehne, nach Schottland heimzukehren.« Nach einem Moment des Zögerns fügte er ernst hinzu: »Ich war mit dem letzten Lord Brecon bekannt. Er war für uns alle ein Vorbild an Wissensdurst, Weisheit und Ehrgefühl. Obwohl schon einige Zeit seit seinem Tod vergangen ist, hoffe ich, dass Ihr mein Beileid zu diesem Verlust annehmt.«
    Lady Bethany murmelte einen Dank. Gwynne schluckte hart, denn sein Mitgefühl bewegte sie überraschend heftig. »Ich danke Euch für Eure freundlichen Worte. Ich hatte das große Glück, mit Seiner Lordschaft seine letzten Jahre teilen zu dürfen.«
    Ballister neigte seinen Kopf respektvoll, ehe er fragte: »Lady Bethany, darf ich Eure liebliche Begleiterin entführen, damit sie mir die Gärten zeigt?«
    »Es sei Euch gewährt«, sagte Bethany. Ihr Gesichtsausdruck war nachdenklich. »In der Zwischenzeit bin ich so frei und flirte schamlos mit Falconer. Gwynne, denk dran, Ballister den Labyrinthgarten zu zeigen.«
    Dankbar für die Gelegenheit, mehr mit dem Schotten reden zu können, nahm sie seinen Arm. Obwohl sie eine hochgewachsene Frau war, fühlte sie sich neben ihm klein und zerbrechlich.
    Der Labyrinthgarten lag etwas abseits am Fuß des Hügels, nahe am Fluss. Als sie den samtigen Rasen überquerten, sagte er: »Ich habe wohl richtig verstanden, dass Ihr bei Lady Bethany lebt?«
    »Ja, sie lud mich nach Brecons Tod ein, zu ihr zu ziehen.«
    »War es zu schwierig, weiter in Harlowe zu bleiben?«
    Sein Verständnis überraschte sie, und sie blickte zu ihm hoch. Erneut wurde sie von seinen Augen angezogen. Das Grau veränderte sich, es wirkte nun beinahe warm, ohne weniger intensiv zu strahlen. »Ja, obwohl es nicht wegen des neuen Earls und seiner Frau ist. Ich habe das Recht, jederzeit im Witwenhaus zu wohnen, wenn ich in Harlowe weile. Doch Lady Bethany und ich sehnten uns beide nach Gesellschaft, und so nahm ich gern ihr Angebot an.« Obwohl sie viele Jahre trennten, waren sie doch beide Witwen. Dies hatte ihre bereits bestehende Bindung vertieft.
    Als Gwynne und ihr Begleiter das Labyrinth, eine ausgesuchte Anordnung sauber gestutzter Büsche und Sträucher, betraten, blieb Ballister stehen und betrachtete mit verengten Augen den Garten. »Das hier ist nicht nur zur Zierde, nicht wahr? Dieser Ort wurde geschaffen, um Magie zu verstärken.«
    Gwynne blickte sich automatisch um, ob irgendjemand in Hörweite war. Die Familien hatten im Laufe der Jahrhunderte nur überlebt, weil sie keine unwillkommene Aufmerksamkeit auf ihre Fähigkeiten lenkten. Anders zu sein war gefährlich. Eine der ersten Lehren, die Kinder der Wächter anzunehmen hatten, war, Geheimnisse zu wahren. Nie durften sie ihre Kraft in der Gegenwart Außenstehender nutzen. Aber Ballister war gut ausgebildet, denn niemand befand sich in ihrer Nähe. »Ja, dies hier ist ein Kraftpunkt. Lady Bethany und ihr Mann haben deshalb dieses Anwesen gekauft. Der Kreis im Innern dieses Gartens kann für Rituale genutzt werden.«
    »Ich spüre die Erdmagie, die an mir zieht. Spürt Ihr es auch?«
    Sie wusste, was er damit in Erfahrung bringen wollte. »Ich verfüge über keine nennenswerte Zauberkraft. Ich kann Stimmungen, Energien und Gefühle ein wenig spüren, aber nicht mehr als jeder sensible Irdische auch.« Selbst die glücklichen Jahre ihrer Ehe und die Akzeptanz in der Gemeinschaft der Wächter hatten nicht das sehnsüchtige Bedauern nach dem, was sie sich von Herzen wünschte, vertrieben.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher