Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Strange Angels: Verraten: Roman (PAN) (German Edition)

Strange Angels: Verraten: Roman (PAN) (German Edition)

Titel: Strange Angels: Verraten: Roman (PAN) (German Edition)
Autoren: Lili St. Crow
Vom Netzwerk:
dir eine Aufgabe stellen, die deiner Talente würdig ist. Beispielsweise die, den zu finden, der dich fast umbringen ließ.«
    Der Truck lief immer noch traumhaft rund. Guter alter amerikanischer Stahl. Dads Brieftasche steckte wie ein schwerer, vorwurfsvoller Klumpen in meiner Jacke.
    Mit zwei Fingerspitzen maß Christophe einen Abstand am Lenkrad und betrachtete ihn konzentriert. »Also, wie steht’s, Dru? Bist du ein braves Mädchen und gehst wieder zur Schule?«
    Wieso fragte er? Mir blieb doch so oder so nichts anderes übrig. Aber ich hatte noch eine Frage. »Was ist mit Graves?«
    Dieser sah mich an, und ich konnte nicht erkennen, ob er dankbar war oder nicht. Aber ich meinte es ernst. Ohne ihn wollte ich nirgends hin.
    Er war doch alles, was ich hatte. Ihn und das Medaillon, Dads Brieftasche und eine Truckladung voller Kram.
    Ein Schatten huschte über Christophes Züge. Die Pause dauerte lange genug, dass mir klar wurde, wie entgeistert er war, dass ich diese Frage stellte, und erwog, welche Schwierigkeiten ich bei der falschen Antwort machen könnte. Oder aber er wollte mich bloß wissen lassen, dass ich nirgendwo sonst hinkonnte. »Er kann mit dir gehen. Dort gibt es Wölfe, ein oder zwei andere Loup-garou. Er wird ein Aristokrat werden. Sie unterrichten ihn da.«
    Das ist in Ordnung. Ich nickte, was meinem Nacken nicht gefiel. »Dann gehe ich.«
    »Gut.« Christophe nahm seinen Fuß von der Bremse. »Und nur fürs Protokoll: Wenn ich das nächste Mal um die Schlüssel bitte, gibst du sie mir!«
    Ich fand nicht, dass ich darauf etwas erwidern müsste. Graves lehnte sich ein bisschen näher zu mir, und ich legte meine Arme um ihn. Mir war egal, dass es meinem Arm, meinen Rippen, meinem Nacken und so ziemlich jedem anderen Teil von mir weh tat, ihn zu drücken. Am meisten schmerzte sowieso mein Herz.
    Wenn man komplett am Ende war, blieb doch nur das zu tun, oder? Sich an dem festzuhalten, was man hatte.
    Richtig festzuhalten.

    Zehn Stunden später fuhr der schwarze Van einen formvollendeten Halbkreis. »Endstation«, sagte der dunkelhaarige Junge. »Gehen wir.«
    Die Dunkelheit bildete eine Hülle um das riesige Gebäude. Mir kam es wie ein Haufen aufgeschichteter kalter grauer Steine vor. Türme und zwei Flügel ragten zu beiden Seiten auf, und das ganze Ding bot ein Fluchtperspektivenbild wie ein gotisches Raumschiff. Zwei große glatte Steinlöwen auf Podesten richteten ihre Köpfe auf die runde Auffahrt und starrten wütend auf die dünne Teerlinie, die sich weiter vorn von der Landstraße abgeschält und uns hierhergeführt hatte. Seltsam knorriger Efeu kroch über die Mauer wie lange Gichtfinger. Der Morgennebel erinnerte an eine dicke graue Decke, und die Bäume, die dem frostigen Gemäuer von allen Seiten empfindlich nahetraten, tropften stumm vor sich hin.
    Graves hielt meine Hand, immer noch und so fest, dass meine Finger längst taub waren. Der Fahrer und der dunkelhaarige Junge auf dem Beifahrersitz sprangen blitzschnell aus dem Wagen, die Waffe und die AK-47 bei sich.
    »Alles okay?«, fragte Graves ungefähr zum hundertsten Mal.
    Ich hustete ein bisschen, um meinen Hals freizubekommen. Das Geschunkel des Vans hatte mich fast eingeschläfert, vor allem weil es drinnen warm und ich völlig erledigt gewesen war. Mein Rücken brannte vor Schmerz, und ich richtete mich wie eine Greisin auf, als hätte ich mich gar nicht bewegen können. Außerdem musste ich richtig dringend pinkeln.
    Das verrät einem kein Horrorfilm: dass man meistens, wenn einem die unsagbarsten, scheußlichsten Dinge passieren, die man sich nicht einmal ausmalen möchte, vor allem aufs Klo will. Mein Haar war fettig, vollgeschneit worden und danach an der Luft getrocknet, und nun hing mir dieses Ungetüm von misslungenem Afro-Look über die Schultern. Ich hätte mir wirklich unendlich gern die Haare gewaschen. Von dem Rest von mir ganz zu schweigen. Und wenn ich fest genug schrubbte, konnte ich mir vielleicht auch die Angst abwaschen, denn dicke klebrige Angst haftete an mir wie Schokolade – nur leider nicht süß und warm.
    Mit meiner freien Hand umklammerte ich meine Tasche, in der sich alles befand, was ich auf dieser Welt besaß, nachdem Christophe mir die Truck-Schlüssel und den dazugehörigen Truck abgenommen hatte.
    Ich war jetzt komplett der Gnade dieser Leute ausgeliefert, und es hätte mir nicht einmal viel ausgemacht, würden sie mir bloß ein Bett geben und mich einen Moment lang schlafen lassen. Danach durften
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher