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Stoerfall in Reaktor 1

Stoerfall in Reaktor 1

Titel: Stoerfall in Reaktor 1
Autoren: Wolfram Hänel
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Punkt ankommt.
    Lukas hat es aufgegeben, mit seinen Eltern darüber reden zu wollen. Es kommt nichts weiter dabei heraus, als die immer gleichen Sätze, die er inzwischen schon auswendig kennt: Es gibt keine Alternative. Wir dürfen uns nicht verrückt machen lassen. Wir müssen hoffen, dass alles gut geht. Das Ende ist doch ohnehin absehbar, die paar Jahre werden wir jetzt auch noch überstehen.
    Aber Fukushima ist überall, denkt Lukas, was braucht ihr denn noch, um endlich zu begreifen, dass jetzt Schluss sein muss, und nicht erst in zehn Jahren. Wenn überhaupt …
    Er schreckt hoch, als er eine Hand auf seiner Schulter spürt. Seine Mutter steht neben dem Bett und sagt irgendwas.
    Lukas zieht sich den Kopfhörer von den Ohren. »Was?«
    »Da sind zwei Herren für dich, unten, in der Küche. Sie wollen dir ein paar Fragen stellen. Gibt es irgendwas, wovon ich nichts weiß?«
    Lukas braucht einen Moment, bis er wieder ganz da ist. »Was?«, fragt er noch mal. »Was für Herren? Wieso bei uns in der Küche?«
    »Vom Werk, glaube ich. Sie haben nichts weiter gesagt, nur dass sie dich sprechen wollen.« Seine Mutter beugt sich zu ihm, ganz nah, ihre Stimme zittert ein bisschen. »Geht es etwa um gestern Nacht? Hast du was damit zu tun?«
    »Keine Ahnung, was du meinst«, sagt Lukas. Er schwingt die Beine aus dem Bett und steht auf. Aber dann dreht er sich doch noch mal um und nimmt seine Mutter in den Arm. Zum ersten Mal seit einer kleinen Ewigkeit. »Komm, Mama, ganz ruhig. Es ist alles okay, mach dir keine Sorgen. Es wird schon nichts weiter sein. Wahrscheinlich geht es um irgendwas ganz anderes, was weiß ich. Ich wimmele sie schon wieder ab, kein Grund zur Aufregung.«
    Gar nichts ist okay, denkt er, während er die Treppe hinunterstolpert. Wieso sind sie so schnell auf ihn gekommen? Waren sie etwa auch schon bei Jannik? Hat sie doch irgendwer erkannt? Sie hätten das nicht machen sollen, die ganze Aktion war total hirnrissig. Und gebracht hat sie ohnehin nichts. Außer dass er jetzt irgendwelche Typen an den Hacken hat, die ihm dumme Fragen stellen wollen. Bleib cool, Alter! Ganz ruhig. Solange du dich nicht verplapperst, können sie dir gar nichts …

Drei
    Die beiden Typen sind jedenfalls nicht vom AKW , da ist sich Lukas fast sicher. Aber ihre Antwort auf seine Frage, mit wem er es zu tun habe, glaubt er auch nicht: Umweltministerium, Abteilung für Strahlenschutz. Und auf seine Bitte, dass er gerne mal irgendeinen Ausweis sehen würde, bekommt er nur zwei in Plastik eingeschweißte Kärtchen hingehalten, die sich allerdings jeder im nächsten Copyshop selber basteln könnte. Foto, Landeswappen, unleserliche Unterschrift. Bevor er überhaupt noch die Namen richtig entziffern kann, sind die Karten bereits wieder in den Jackentaschen verschwunden. Und dann die mit aufgesetzter Kumpelhaftigkeit vorgetragene Gegenfrage: »Warum gleich so offiziell? Wollen Sie uns nicht vielleicht erst mal einen Kaffee anbieten und wir unterhalten uns ein bisschen? Wir haben nur ein paar Fragen an Sie, alles ganz harmlos, kein Grund, nervös zu werden. Es sei denn, Sie möchten uns etwas erzählen, was wir noch nicht wissen …«
    »Keine Ahnung, was Sie meinen«, sagt Lukas und schiebt die Hände in die Hosentaschen, um zu demonstrieren, dass er jetzt ganz bestimmt keinen Kaffee kochen wird. Polizei, denkt er, das würde passen. Die Typen sehen aus wie die Bullen aus irgendeinem Krimi. Der eine im Anzug mit weißem Hemd und offenem Jackett, der andere mit T-Shirt und Lederjacke. Auf dem T-Shirt ist irgendein Aufdruck einer amerikanischen Universität, die es wahrscheinlich gar nicht gibt. Er hat auffällig lange Haare, glatt nach hinten gegelt, und müsste sich dringend mal rasieren. Keiner, der in einem Ministerium arbeitet, läuft so rum. Staatsschutz, nicht Strahlenschutz …
    »Ich weiß nicht, was das soll«, mischt sich jetzt Lukas’ Mutter ein, die nach ihm in die Küche gekommen ist und den letzten Satz noch mitgekriegt haben muss. »Sie können doch nicht einfach …«
    »Doch, können wir.«
    Der mit der Lederjacke zieht sich einen Stuhl heran und setzt sich. Der andere streckt Lukas’ Mutter die Hand hin: »Koschinski.« Er deutet mit dem Daumen zum Küchentisch. »Und mein Kollege Müller. Ein Kaffee wäre nicht schlecht, wir sind seit heute Morgen auf den Beinen. Tut mir leid, wenn wir ungelegen kommen, aber es muss sein. Wir machen auch nur unsere Arbeit.«
    Lukas’ Mutter zuckt resigniert mit der Schulter, als
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