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Stiller Tod: Thriller (German Edition)

Stiller Tod: Thriller (German Edition)

Titel: Stiller Tod: Thriller (German Edition)
Autoren: Roger Smith
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gesehen, dass die Nische mit dem Aufnahmegerät von den Objektiven nicht erfasst wurde, ein kleiner toter Winkel für die Überwachungskameras. Hatte sich ausgerechnet, dass er, wenn er sich in einer schnurgeraden Linie davon entfernte – praktisch auf einem imaginären Drahtseil balancierte –, den Kameras ausweichen würde. Dann müsste er einen Haken nach rechts schlagen, raus aus dem Blickfeld der Kameras, den freien Streifen neben seiner Garage überqueren und durch das Fenster klettern, das er offen gelassen hatte. Das war entscheidend, damit er später auf demselben Weg unbemerkt zurückkehren konnte, um seine gefälschten Bilder von Vernon auf die Festplatte aufzuspielen.
    Exley setzte sich in Bewegung, wartete die ganze Zeit darauf, dass die Scheinwerfer angingen, ihn offenbarten und damit auch den Fehler in seinem Plan. Aber sie blieben dunkel, und er schaffte es zur Seite des Hauses, konnte sich, dünn, wie er war, durch das enge Garagenfenster zwängen.
    Die Software macht Pling wie eine Mikrowelle, signalisiert, dass das Rendern abgeschlossen ist, und ein kahlköpfiger Vernon grinst aus dem Monitor. Exley dreht den Kopf, betrachtet ihn von allen Seiten und justiert einen Slider, der den Unterkiefer verbreitert, das Gesicht kantiger erscheinen lässt, Vernon männlicher macht. Mit einem anderenSlider bringt er die Augen näher an die Nase und verändert das Verhältnis von Stirn zu Kinn, um das Gesicht etwas zu stauchen und den Wangenknochen etwas mehr Kontur zu geben.
    Exley sieht die Zusatzfeatures durch, findet eine Frisur, die Vernons gegeltem Stachellook einigermaßen entspricht, und packt sie auf den kahlen Schädel. Sieht aus wie aus Schellack – ohne den Glanz und die Elastizität und Glaubwürdigkeit der Haare, die er für Sunnys Modell gestaltet hat –, aber zu mehr kann er sich nicht aufraffen.
    Als er seine Tochter modellierte, war das ein Akt der Liebe, er nutzte, wenn auch fehlgeleitet und obsessiv, seine Kunstfertigkeit, um seiner Trauer Ausdruck zu verleihen, doch Exley weiß, dass er sich jetzt, da er Vernon Saul heraufbeschwört, mit etwas Okkultem einlässt, und er will es einfach nur hinter sich bringen. Will frei von diesem Raum sein und der Erinnerung an das wahnsinnige Etwas, das in diesem Sessel hockte, sich mit der Asche seines Kindes beschmierte, sinnlose Gebete stammelte.
    Dawn kniet auf dem Boden und schrubbt den Zement zwischen den Fliesen mit einer kleinen weißen Bürste. Ansonsten ist der Boden wieder sauber. Auch die Ledermöbel makellos. Aber, verflucht, dieses klebrige Blut haftet hartnäckig in den Fugen.
    Und so bewegt sie sich von einer Fliese zur nächsten und bearbeitet mit den Borsten die Zwischenräume. Es ist anstrengend, geht auf die Knie und den Rücken, und allmählich wird sie high von den Lösungsmitteln in dem Ammoniakreiniger.
    Nick kommt aus seinem Studio, reckt sich, reibt sich die Augen hinter der Brille. Er blinzelt, nimmt den Raum wahr. »Mein Gott, Dawn, du musst ja völlig fertig sein.«
    Sie zuckt die Achseln und steht auf, der Rücken steif. »Wie läuft’s bei dir?«
    »Okay. Aber noch immer viel zu tun.«
    Nick legt die Arme um Dawn, ihre behandschuhten Hände hängen schlaff herab. Sie löst sich aus der Umarmung, starrt ihn an.
    »Was ist?«, fragt er.
    »Ich glaube, dass zwischen dir und Vernon irgendwas ziemlich Übles passiert ist. Dass er was gegen dich in der Hand hatte.«
    Er zögert, sieht weg, hinaus in den Sturm. »Ja.«
    »Irgendwas, was du getan hast?«
    »Ja.« Den Blick jetzt wieder auf sie gerichtet.
    »Okay, Nick, ich möchte, dass du mir was versprichst.«
    »Was?«, fragt er, und sie sieht, wie er sich anspannt.
    »Versprich mir, dass du mir nie auch nur ein Wort davon erzählst. Niemals.«
    Er atmet auf und bringt ein müdes Lächeln zustande. »Ich versprech’s dir, Dawn. Ich versprech’s dir.«
    Exley hat keine Zeit mehr, und sein Körper versagt allmählich. Er sieht nur noch verschwommen, und irgendein gemeiner Mistkerl hat Chlor in die Stäbchen und Zapfen seiner Augen gespritzt. Seine Nerven sind ein Geflecht aus Stacheldraht, spitzig unter der Haut. Die Anspannung pumpt als säuerlicher Schweiß aus ihm heraus, füllt seine Nase mit seinem eigenen Gestank.
    Der Karpalschmerz im Daumen strahlt bis in den rechten Ellbogen, wenn er die Maus umfasst, und das bisschen gewölbte Plastik ist das Einzige, was ihn noch mit der Workstation und der Realität verbindet, während er das langsam entstehende Modell in allen
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