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Stevani Fuhlrott mit Christiane Hagn - Wenn mich jemand sucht – ich bin im Kühlschrank

Stevani Fuhlrott mit Christiane Hagn - Wenn mich jemand sucht – ich bin im Kühlschrank

Titel: Stevani Fuhlrott mit Christiane Hagn - Wenn mich jemand sucht – ich bin im Kühlschrank
Autoren: Stevani Fuhlrott mit Christiane Hagn
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Schließlich hatte sie selbst keins. Falls mal keine Toilette in der Nähe war, machte Oma halt Pipi auf ein öffentlich einsehbares Blumenbeet – gern auch mitten in der Stadt.
    So schlimm das klingt, das war noch nicht das Schlimmste. Denn Oma zog mich nicht nur an wie einen Zirkusclown, sondern betreute auch meine Hausaufgaben. Zunächst fand ich das ganz toll. Sie machte meine Hausaufgaben, während ich Pudding aß. Oma hatte wirklich eine wunderschöne Handschrift. Und so viel Fantasie. Aber leider keine Ahnung von Rechtschreibung oder Grammatik, dem Einmaleins oder Heimat- und Sachkunde. Meine Lehrerin sprach mich vor der versammelten Klasse auf meine Fehler an und ich gab kleinlaut Omas Devise zum Besten: »Hauptsache, es ist schön geschrieben!« Daraufhin brachen dreißig Kinder in schallendes Gelächter aus und ich bekam im Alter von sechs Jahren meinen ersten Tinnitus.
    Auch mit der Pünktlichkeit nahm es meine Oma nicht so genau. War Schulbeginn nun um acht oder doch erst um zehn Uhr?
    »Ach, ich fahr dich, sobald der Kuchen aus dem Ofen ist. Ein­verstanden?«
    Ganz ehrlich? Wer hätte da Nein sagen können?
    Dafür brachte sie mich dann auch bis vor das Klassenzimmer, öffnete die Tür und sagte: »Och, guck mal, die sind ja alle schon da!«
    Ich sag nur: Tinnitus, der zweite.
    Trotz allem liebte ich meine Omi über alles. Denn langweilig wurde es mit ihr nie!
    Meine Eltern bekamen natürlich mit, dass das mit dem Kind in der Schule nicht besonders gut lief. Allerdings, wie immer, nur am Rande. Denn meine Mutter war dauerkrank und selten zu Hause. Und ­natürlich war ich schuld, denn seit meiner Geburt hatte sie ziemliche Nierenprobleme. Zudem bekam sie Magengeschwüre wie andere Leute Pickel.
    Und Papa?
    Darf ich vorstellen – mein Vater Otto, seines Zeichens Charmeur und Schwerenöter. Ich nehme an, die Ehe mit meiner Mutter war ihm einfach zu langweilig, denn der liebe Otto war sehr abenteuerlustig und sprunghaft. Nur in wenigen Dingen war er immer sehr zuverlässig: im Trinken, Lügen und Betrügen. Stand ein neues Motorrad vor der Tür, gab es immer auch eine neue Affäre dazu. So viel war sicher.
    Mama war also im Krankenhaus und Papa hatte – im wahrsten Sinne des Wortes – freie Fahrt. Und er genoss seine Freiheit! Einziger Wermutstropfen: Er musste sich um mich kümmern. Autsch! Motorradtouren mit wechselnden Liebhaberinnen und einem unbeweglichen kleinen Mädchen? Das passt nicht zusammen, könnte man meinen. Doch weit gefehlt! Denn »geht nicht«, das gab’s bei Papa nicht. Gerade was seine Freizeitgestaltung anging, war er durchaus kreativ – einer seiner wenigen angenehmen Wesenszüge, die er mir vererbt hat. Stevani wurde also aufs Moped geschnallt und los ging’s: ab in die Kneipe! Dort angekommen, gab er mir fünf Mark und setzte mich vor die Spielautomaten. Ich glaube, es war Glücksspiel. Zumindest freute ich mich immer, wenn drei gleiche Kirschenpaare erschienen. Währenddessen turtelte er mit seiner neuen Liebe, der Wirtin. Wie praktisch war das denn?
    Okay, ich war dick und komisch, aber nicht blöd. Natürlich roch ich den Braten. Ich wusste nie genau, was da lief. Aber dass was ganz schön faul war, das war mir klar. Doch wie man sich vorstellen kann, war es damals relativ einfach, mich zu bestechen.
    »Papa, ich sag’s Mama!«
    »Und wenn ich dir noch mal fünf Mark gebe?«
    »Nein! Ich will zu Mama!«
    »Okay, noch ’ne Limo und ein Eis?«
    »Zwei Eis! Und fünf Mark!«
    Schön, ich gab nach. Aber nur bis zu einem gewissen Punkt oder einer gewissen Anzahl an Eiskugeln. Außerdem verbat ich mir Tätscheleien jeglicher Art und biss zu, wenn die jeweilige Dame versuchte, mir in die Wange zu kneifen. Schließlich hatte ich auch meinen Stolz.
    Manchmal kam Papas »Damenbesuch« auch zu uns nach Hause. Mama war meistens im Krankenhaus und ich, wenn ich Glück hatte, bei Oma. Aber nicht immer. Und einer dieser Tage endete zumindest für mich unter dem Esstisch. Ich musste mich nämlich aus der Gefahrenzone in Sicherheit bringen. Denn was Papa auf dem Esstisch mit der Wirtin machte, das musste er meiner frühzeitig aus dem Krankenhaus entlassenen Mutter dann doch selbst erklären.
    »Ich wollte nur ein Bier trinken gehen und dann, dann ist sie, äh, mir was dazwischengekommen.«
    Ja, auch Otto verließ im entscheidenden Moment die Kreativität so manches Mal.
    Aufgrund dieser und sicherlich auch einiger anderer Situationen (von denen ich dank Oma – Puppenklamotten hin oder
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