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0494 - Fenrirs Wacht

0494 - Fenrirs Wacht

Titel: 0494 - Fenrirs Wacht
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Vor Mostaches Kneipe stand das Wasser wieder einmal zentimeterhoch. Wer ins Lokal wollte, mußte entweder hindurch oder den Seiteneingang benutzen. Pierre Moreau nahm den direkten Weg. Wenn der Wirt schon seit Jahren nicht daran dachte, diese »mostache’sche Seenplatte« zu beseitigen, wie seine Gäste die ausgedehnten Pfützen spöttisch nannten, sollte er auch etwas davon haben: Schmutzwasserflecken auf den Dielen im Schankraum.
    Mostache ließ das relativ kalt. Schließlich hatte seine Frau sich mit Schrubber und Putzlappen abzuplagen, während Mostache selbst die wichtigeren Aufgaben wie Einkauf und Thekendienst übernahm.
    André und Roland winkten Moreau fröhlich zu. »He, Pierre, als dritter Mann zum Skat hast du uns gerade noch gefehlt! Setz dich her und gib ’ne Runde aus.«
    Moreau stellte sich an die Theke. »Ehe wir darüber in Verhandlungen eintreten, brauche ich erst mal ’nen Cognac für mich allein. Aber das Glas machst du bis zum oberen Rand voll, Mostache!« verlangte er.
    »Für dich immer«, sagte Mostache. »Wieviel Läuse sind dir denn über die Leber gekrochen, daß du gleich zu Anfang so zulangst? Das ist doch sonst nicht deine Art!«
    Moreau winkte ab. Er nahm das Cognacglas, setzte es an und leerte es in einem Zug. Dann schüttelte er sich kräftig.
    »Alkohol desinfiziert und ist deshalb Medizin, nur soll man die vor Gebrauch schütteln und nicht hinterher«, behauptete Mostache.
    André, für seine Trinkfestigkeit und sein fröhliches Lachen bekannt, kam vom Fenstertisch und gesellte sich zu Moreau an die Theke. »Was ist los?« wollte er wissen. »Stell dir vor, du befändest dich auf dem Planeten Nimbus III nahe der Neutralen Zone, und ich sei der Vulkanier Sybok. Also teile deinen Schmerz mit mir.«
    »Hä?« machte Moreau.
    »In dir sehe ich einen tiefen Schmerz. Teile ihn mit mir, sprich darüber, und dir wird geholfen.«
    »Hä?« wiederholte Moreau. »Hat dir einer Frostschutzmittel in den Glühwein getan, oder was?«
    »Er war im Kino«, sagte Roland vom Tisch her. »Hat sich so einen spinnerten Film ’reingezogen.«
    »Was sollte man im Kino sonst tun?« grinste André. »Star Trek V - Am Rand des Universums. Ein wunderschöner Film. Solltet ihr euch auch antun.«
    »Ach, der«, brummte Moreau. »Ist doch schon zwei oder drei Jahre alt. Mann, in welchem Steinzeitkino bist du denn gewesen?«
    »Wiederaufführung. Die ganze Filmreihe läuft im Programmkino in Clermont-Ferrand. Spaß beiseite, Pierre, was ist dein Problem?«
    »Wölfe«, sagte Moreau leise und schob das Glas wieder zu Mostache. »Nachtanken, bitte.«
    »Warst du im Zoo?« fragte André.
    Moreau schüttelte den Kopf. Er zog seinen Mantel aus und schleuderte ihn quer durch den Raum auf eine Stuhllehne. Der Cognac und die Wärme im Schankraum heizten ihm ein. »Unsinn«, brummte er. »Ich habe die Spuren gesehen. Die verdammten Biester haben einen Stall aufgemacht und unter den Schweinen gewütet.«
    »Du bist ja verrückt«, sagte André. »Es gibt hier keine Wölfe. Schon seit bald hundert Jahren nicht mehr. Gevatter homo sapiens hat bekanntlich nachhaltig dafür gesorgt. Außer im Zoo findest du praktisch in ganz Europa keinen Wolf mehr.«
    »Aber ich habe die Spuren gesehen«, beharrte Moreau. Er riß Mostache das neu gefüllte Glas fast aus der Hand und leerte es hastig.
    »Du mußt dich irren«, sagte André. »Und trink ein bißchen genußvoller. Dann hast du erstens mehr vom Geschmack, und zweitens müssen wir dich dann nicht schon in einer halben Stunde mit der Schubkarre nach Hause fahren, weil du bis über die Halskrause sternhagelvoll bist!«
    »Ich weiß, was ich gesehen habe.«
    »Vielleicht war’s ein Schäferhund. Oder ein Fuchs.«
    »Ich weiß doch wohl noch, wie Wolfsspuren aussehen, Mann!« polterte Moreau.
    »Aber, sieh mal«, lächelte André. »Es gibt hier keine freilebenden Wölfe.«
    »Irrtum«, bemerkte Mostache trocken. »Einen gibt es. Hast du Fenrir vergessen?«
    »Fenrir?«
    »Na, das zahme Biest, das hin und wieder bei unserem Professor im Château auftaucht.«
    »Das ist ein Wolf?« staunte André. »Ich habe ihn immer für einen mutierten Schäferhund gehalten. Einen mit zuviel Wolle.«
    »Du hältst auch das Finanzamt für ein Wohlfahrtsinstitut«, brummte Mostache.
    An einem anderen Tisch hatten ein paar ältere Herren, die Wein genossen und Rommé spielten, die Ohren gespitzt. »He, was war das vorhin von Stall aufbrechen und unter den Schweinen wüten?« fragte der alte
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