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Sternenschimmer

Sternenschimmer

Titel: Sternenschimmer
Autoren: Kim Winter
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schweigend aus den Fenstern, während die Landschaft in schwarzen Schatten an uns vorbeiflog. Ich betrachtete die Kinder genauer, und obgleich es mir bereits auf der Vulkobase aufgefallen war, verblüffte es mich erneut, wie ähnlich sie uns sahen. Aber trotzdem wirkten sie anders. Da war dieses Leuchten in ihren Augen. Ihre Haltung war kerzengerade, und ihre Bewegungen – wenn sie denn welche machten – waren so anmutig, dass sie mich an kleine Engel erinnerten. Abgemagerte und vergessene Engel. Kleine kostbare Geschöpfe, deren Unantastbarkeit geradezu heilig schien. Es kam mir wie Frevel vor, diese auch nur in Gedanken anzuzweifeln – und doch hatte Lokondra sie achtlos berührt.
    Wir bogen in die Auffahrt ab. Das Haus war hell erleuchtet und strahlte die Gemütlichkeit eines warmen Nestes aus. Hoffentlich würde es das auch für die Kinder sein können. Keiner hätte es mehr verdient.
    Als das Schiff anhielt, öffnete Bert uns die Tür.
    Die Kinder klaubten ihre wenigen Habseligkeiten zusammen und stiegen der Reihe nach aus. Ich nahm den schlafenden Jungen und folgte ihnen.
    Während sie auf Tanja und mich warteten, sahen sie sich schüchtern um. Hope schenkte mir einen Blick. Zuversicht, daswar es, was sie in meinem Gesicht suchte. Ich hoffte, sie hatte sie gefunden, und folgte ihr die Treppe zum Haus hinauf.
    Trotz des feingliedrigen Körpers, den dünnen Ärmchen und der mageren Gestalt war der kleine Junge viel schwerer als jedes Irdenkind, das ich bisher getragen hatte.
    Als wir durch die Tür traten, kam Bert auf mich zu.
    »Soll ich ihn dir abnehmen?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Danke, es geht schon.«
    »Komm, ich zeige dir sein Zimmer«, sagte er leise.
    Ich folgte ihm in den ersten Stock hinauf. Wir betraten einen dunklen Raum, in dem es beruhigend nach Lavendel roch. Bert ging voraus und knipste den Schalter einer Nachttischlampe an. Der Kleine zuckte und seine Hände ballten sich kurz zu Fäusten, aber dann erschlafften seine Muskeln wieder und er schlief weiter, ruhig und mit fließendem Atem.
    »Ich kümmere mich inzwischen um die anderen«, sagte Bert, bevor er verschwand.
    Ich legte den Jungen in eines der zwei Betten und setzte mich auf dessen Rand. Sanft zog ich ihm die Decke über die Schultern. Im Schein der Nachttischlampe betrachtete ich sein Gesicht, die langen geschwungenen Wimpern und die kleinen Ohren. Seine perlmuttschimmernde Haut war so zart und durchscheinend, dass ich sie nicht zu berühren wagte.
    Sie sahen uns so ähnlich!
    Meine Hand strich über sein blondes Haar. Dann löschte ich das Licht.
    Als ich zu Bert in die Küche kam, saßen die anderen Kinder an einem üppig gedeckten Tisch. Sie aßen alle Brot, Joghurt und griffen nach dem Gemüse. Die Frage, wovon sie sich ernährten, erübrigte sich somit gerade, was schon mal eine Sorge weniger war.
    »Wo ist Tanja?«, fragte ich, da ich sie ebenfalls in der Runde erwartet hatte.
    »Sie fährt die anderen Häuser ab, um zu sehen, ob alle gutuntergekommen sind«, sagte Bert, während er aus einem Radieschen eine Blume schnitzte und sie Hope hinhielt.
    Die Kleine lächelte. Wie hübsch sie war.
    Ich setzte mich neben sie auf den einzigen freien Stuhl und fand an meinem Platz eine kleine Schale mit Würstchen. Aufmerksam von Bert, dem ich meine Vorliebe für Knackwürste verraten hatte. Die spärliche Menge würde allerdings für alle am Tisch bei Weitem nicht ausreichen. Es war, als hätte er es nur für mich gedeckt. Das fand ich weniger aufmerksam von ihm. Verlegen griff ich nach einer Knackwurst und hielt sie Hope hin. »Möchtest du?«
    Die Kleine sah mich verstört an. Fort war ihr Lächeln und ich bereute meine Frage.
    »Das kann man nicht essen«, sagte sie vorwurfsvoll. »Es riecht nach totem Tier.« Hope rümpfte angewidert die Nase.
    Meine Kinnlade klappte nach unten und ich sah sie mit offenem Mund an. »Wie du unsere Sprache kannst.«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Die haben wir auf der Fahrt hierher gelernt.«
    »In zwei Monaten.« Ich war platt.
    »Ja, ich weiß. Ich muss sie noch ein wenig perfektionieren. Ich rolle das R zu sehr.«
    Ich versuchte, mich daran zu erinnern, ob ich das Wort » perfektionieren« schon mal aus dem Munde einer Fünfjährigen gehört hatte, denn älter schien sie mir nicht.
    »Zu Hause bin ich zwanzig, auf der Erde müsste ich demnach sechs sein.«
    Wieder sah ich sie überrascht an.
    »Kannst du auch Gedanken lesen?«
    Hope schüttelte den blonden Lockenkopf. Da war es wieder, ihr
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