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Sternenschimmer

Sternenschimmer

Titel: Sternenschimmer
Autoren: Kim Winter
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hübsches Lächeln. »Nein. Aber du sprichst mit den Augen.«
    Ich musste wohl ein sehr unvorteilhaftes Gesicht gemacht haben, denn die anderen Kinder und auch Bert fielen in ihr Lachen mit ein.
    Ich war froh, dass die Stimmung jetzt gelöster war und legte das Würstchen beiseite, auf das ich ebenfalls den Appetit verloren hatte.
    Nachdem die Kinder mit dem Essen fertig waren, zeigten wir ihnen die Schlafräume und das Bad. Während sie sich die Schlafanzüge anzogen, fiel mir auf, dass sie alle Halstücher trugen. Obwohl diese teilweise ziemlich schmutzig waren, machte niemand von ihnen irgendwelche Anstalten, sie auszuziehen. Unsicher beobachtete ich Bert und wartete, ob er sie auffordern würde, die Tücher abzulegen. Doch er ließ sie, ohne ein Wort darüber zu verlieren, gewähren, deshalb sagte ich ebenfalls nichts, und wir brachten sie in ihre Zimmer.
    Es dauerte nicht lange, bis sie in ihren Betten lagen und erschöpft, wie sie waren, zur Ruhe kamen. Ob sie Schlaf finden würden, bezweifelte ich allerdings.
    Als es im ersten Stock still geworden war, trat ich auf die Veranda in die kühle Nachtluft hinaus. Vor meinem inneren Auge bewegten sich sieben perlmuttschimmernde Gesichter. Solch einen Hautton hatte ich noch nie zuvor gesehen. Alle Farben schienen sich darin zu vereinen.
    Ich legte mir die Jacke über die Schultern und dachte an meine kleine Cousine Maya, ein ausgelassenes, lautes Mädchen und äußerst beharrlich, wenn sie irgendetwas wollte. Aber diese Kinder … sie waren ungewöhnlich gefasst, ja beinahe kontrolliert und leise wie Schmetterlinge. Sie schienen so ruhig und überlegt, viel reifer als Maya. Wahrscheinlich mussten sie das auch sein. Schließlich waren sie fernab von ihren Verwandten und gezwungen, sich hier irgendwie durchzuschlagen – allein, in einer ganz anderen Welt.
    Ich seufzte innerlich. Hoffentlich würde Hopes Bruder bald aus dem Krankenhaus kommen. Dann wäre wenigstens sie nicht mehr ganz ohne Familie.
    »Die Kinder schlafen alle«, drang Berts tiefe Stimme zu mir durch. »Soll ich dich heimfliegen?«
    Ich brauchte eine Weile, ehe ich ihm antworten konnte. Zu überwältigend waren meine Gedanken.
    »Das ist lieb von dir. Aber ich glaube, ein kleiner Spaziergang ist jetzt genau das Richtige für mich. Ist ja nicht weit bis zur nächsten Haltestelle.«
    Als ich mich zu ihm umdrehte, sah ich, dass Bert in kurzer Hose und T-Shirt draußen stand. Fror dieser Mann eigentlich nie?
    »Wie du meinst«, sagte er. »Kommst du dann morgen?«
    »Ja. Ich bringe Frank mit.«
    Ich zog die Jacke an und ging die Stufen hinab, dann drehte ich mich noch einmal zu ihm um.
    »Bis morgen, Bert.«
    »Tschüss, Mia.«

4

    A ls ich am nächsten Morgen aus unserem Haus trat, glitt mein Blick über die umliegenden Häuserwände. Die meisten Gebäude waren eng aneinandergepresst und erhoben sich wie Giganten aus Stahlbeton, Metall und Kunststoffglas an der menschenüberfüllten Straße. Jedes für sich in klaren Linien gehalten, waren das Einzige, was sie voneinander unterschied, die Höhe und die Form. Eine perfekte Darstellung der heutigen Grundsätze energie- und platzsparenden Wohnens. Prunklos, aber doch irgendwie gut – weil in ihrer Bauweise Einsicht steckte. Wenigstens in puncto Umweltschutz wiederholten wir die Fehler der Vergangenheit nicht. Wir hatten dazugelernt. Dieser etwas beengende Anblick war die Konsequenz.
    Ich wollte erst einmal tief durchatmen, aber da es in der Nacht geregnet hatte, füllte nur ein aufgeheizter stickiger Dunst meine Lungen. Missmutig warf ich einen Blick hoch zur getönten Glaskuppel und ging zur Haltestelle. Dort wartete ich auf das Elektroschulschiff. Es dauerte nicht lange, da kam es auch schon um die Ecke geglitten. Als ich einstieg, lief die Klimaanlage bereits auf Hochtouren. Endlich konnte ich einen befreienden Atemzug nehmen. Das Schiff war fast leer, zum Glück, denn morgens war mir wirklich nicht nach Small Talk zumute. Nur zwei weitere Schüler, die ich nicht kannte, teilten sich die Rückbank. Also ließ ich mich auf einem der vorderen Sitze nieder, stellte meine Tasche zwischen den Füßen ab und schaute aus dem Fenster.
    Das Schiff vibrierte, als der Motor ansprang. Mit einem leisenZischen schlossen sich die Türen. Obwohl die Luftstraßen vom Berufsverkehr verstopft waren, dauerte es keine Viertelstunde, bis wir die dreißig Kilometer entfernte Schule erreicht hatten.
    Ich blickte auf den Stundenplan. Mathe bei Dr. Henke. Der perfekte
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