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Sternenschimmer

Sternenschimmer

Titel: Sternenschimmer
Autoren: Kim Winter
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Schnabel.«
    Ich folgte ihrem Blick. Doch da ich fast einen ganzen Kopf kleiner war als sie, dauerte es noch eine Weile, bis ich die herannahende Katastrophe selbst sah. In der Tat, Lena hatte nicht übertrieben.
    Mirjam Weiler. Unsere Schulzicke. Ihr Vater war Leiter eines Tier-Versuchslabors für Laser-Schminktechnologie. Dass Mirjam jeden Unsinn, der neu auf den Markt kam, ausprobierte, schien ihn nicht zu stören. Doch mich erschreckte es jedes Mal aufs Neue.
    »Wer weiß, wie viele Mäuse dieser Lippenaufpolsterer wieder das Leben gekostet hat«, knurrte Lena wütend.
    Mit einer gehörigen Portion schlechtem Gewissen erinnerte ich mich daran, dass ich anfangs auch mal daran gedacht hatte, mein Gesicht mit ein paar Produkten der Laserschminke aufzupolieren. In der Schule folgten immer mehr Leute diesem Trend. Und zugegeben, ich hatte dem Wangenröter und dem Augenringentferner schon etwas abgewinnen können – gerade bei Leuten, die beides ganz vorsichtig benutzten. Aber das war, bevor ich die Bilder von gequälten Tieren in Labors gesehen hatte … Nein, ich würde niemals Kosmetikprodukte benutzen, die nicht ausschließlich per Computer und Maschine getestet werden konnten. Deshalb trug ich noch immer das gute alte Makeup.
    »Lena! Mia! Kommt ihr bitte.«
    Das war Mr O’Brian. Er stand lächelnd in der Tür der Englischklasse. »Ich würde gern anfangen.«
    »Wir sind schon da.« Lena fasste mich an der Jacke und zog mich in den Klassenraum, ohne auch nur ein Mal den Blick von ihrem Lieblingsreferendar zu wenden.
    Ich folgte ihr mit einem zärtlichen Ausdruck von Unverständnis. Auch wenn ich ihre gegenwärtigen Anbetungsallüren nicht teilen konnte, so waren es doch gerade ihre Verrücktheiten und die verdrehte Art, die ich so gern an Lena mochte.
    Huch, was machte Tanja denn hier?
    Als wir alle Platz genommen und die Taschen verstaut hatten, setzte sich Mr O’Brian auf die Kante des Lehrerpults, strich lässig mit einer Hand durch sein haselnussbraunes Haar und begrüßte uns mit einem weiteren Lächeln. Er war nicht groß oder breitschultrig, aber er hatte etwas Schnittiges, da musste ich Lena recht geben.
    »Also, Leute«, begann er, während das Getuschel in der Klasse verstummte und das Rascheln von Kaugummi- und Bonbonpapier erstarb, »ihr habt sicherlich schon von den neustenGeschehnissen gehört. Ein Flüchtlingsschiff ist gestern auf Vulko gelandet. Das heißt, dass hier dreihundert elternlose Kinder eingetroffen sind.«
    »Sie meinen: Abkömmlinge«, warf Mirjams Freundin Vicci ein. »So werden sie zumindest in den Medien bezeichnet.«
    Mr O’Brian bedachte sie mit einem freundlichen Lächeln, hinter dem aber etwas anderes lag. »Nein, Vicci«, sagte er. »Wenn ich Kinder sage, dann meine ich es auch so.«
    »Und was hat das mit uns zu tun?«, kam es aus einer der hinteren Reihen.
    »Womit wir auch schon beim Thema wären. Eine gute Freundin von mir«, Mr O’Brian wies auf Tanja, »leitet das Sozialprojekt Hilfe für Loduun . Ich habe sie eingeladen, damit sie euch von ihrer Arbeit berichtet. Diejenigen von euch, die ihre ehrenamtliche Hilfe angeboten haben, kennen sie bereits.«
    Lena nickte und Mr O’Brian quittierte ihr Engagement mit einem Lächeln.
    »Ehrenamtlich?«, fragte Mirjam. »Warum werden nicht einfach noch ein paar Sozialfuzzis eingestellt?«
    Mr O’Brians Antwort war schlicht und direkt. »Weil wir nicht genügend haben. In unserer friedlichen Gesellschaft hat es während der letzten Jahrzehnte nur einen geringen Bedarf an Sozialarbeitern gegeben. Wo sollen sie also jetzt herkommen?«
    Lena saß neben mir und beäugte eifersüchtig, wie Tanja, für ihren Geschmack dann jetzt wohl doch eine Spur zu dicht, neben Mr O’Brian Platz nahm und diesem etwas ins Ohr flüsterte.
    Ich tätschelte ihren Unterarm. »Sie ist bestimmt Mitte dreißig, das ist viel zu alt für ihn.«
    »Aber vielleicht sollte Tanja Moscinski einfach selbst erzählen«, übergab Mr O’Brian das Wort.
    »Danke, Tom. Also ich würde gern erst einmal von unserer Arbeit berichten, um anschließend auf eure Fragen einzugehen. Seid ihr damit einverstanden?«
    Manche von uns nickten und Tanja fasste dies als allgemeine Zustimmung auf.
    »Das Hilfsprojekt Loduun setzt sich ausschließlich aus humanitären Themen zusammen. Das heißt: Hilfsgütertransporte, medizinische Versorgung vor Ort und Unterbringungsmöglichkeiten sowie Betreuung der Flüchtlinge auf der Erde. In dieser Stadt haben wir neun Häuser angemietet,
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