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Sternenschimmer

Sternenschimmer

Titel: Sternenschimmer
Autoren: Kim Winter
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Zeitpunkt, um mit meiner Freundin Lena über die Ereignisse der vergangenen drei Tage zu reden. Denn die hatte die Schule allen ehrenamtlichen Helfern freigegeben, damit wir uns in den Häusern eingewöhnen konnten. Und weil Lena in einem anderen Heim arbeitete, waren wir noch nicht dazu gekommen, uns auszutauschen.
    Als ich den Gang zu den elften Klassen betrat, sah ich einen lila Pagenschnitt aus der Menge blitzen, der sich schnell und zielstrebig auf mich zubewegte.
    »Hi, Lena.«
    »Mia, da bist du ja endlich.«
    Zur Begrüßung gaben wir uns rechts und links einen dicken Kuss.
    »Coole Haarfarbe«, sagte ich mit hochgezogenen Augenbrauen.
    »Gefällt’s dir?« Lena grinste zufrieden. »Ich hab mal ’ne Veränderung gebraucht.«
    Wir setzten uns in die letzte Reihe und zogen die Mathematikbücher hervor.
    »Ich hab gestern Abend versucht, dich anzurufen. Aber deine Mutter hat gesagt, du bist noch arbeiten.« Lena hielt kurz inne. »Ich war echt überrascht, als die Kinder in unserem Haus ankamen. Die sehen uns ja so was von ähnlich.«
    »Lena?« Dr. Henke warf ihr einen strengen Blick zu.
    Wir gingen mit den Köpfen auseinander, zogen unsere Arbeitsblätter aus den Taschen und legten sie auf den Tisch. Als sich Dr. Henke wieder der Tafel zuwandte, stieß Lena mich jedoch mit dem Ellenbogen an.
    »Nun erzähl schon!Wie war es auf Vulko?«, flüsterte sie. Undbevor ich antworten konnte, platzte sie schon mit der nächsten Frage heraus. »Wusstest du, dass die Loduuner in Clans zusammenleben, die ihre Eigenschaften beschreiben?«
    Ich sah sie stutzig an. »Wie das?«
    »Tanja hat es mir erzählt. Sie leben in einer Art Familienverband und die Mütter vererben ihre Eigenschaften an die Kinder weiter. Man soll ihre Clan-Zugehörigkeit an der Haut unterscheiden können. Wenn man ganz genau hinsieht, schimmert sie in einer bestimmten Farbe.«
    »Die Kinder bei uns haben alle perlmuttfarbene Haut«, widersprach ich. »Da sticht keine Farbe hervor.«
    »Mia, wie lautet die erste Ableitung von zwei X hoch vier minus X hoch minus zwei?«
    Ahnungslos sah ich zu Dr. Henke auf. In diesem Moment wandte sich ein honigblonder Schopf leicht in meine Richtung. »Acht X hoch drei plus zwei X hoch minus drei«, drang es leise an mein Ohr. Ich wiederholte die Antwort laut und Dr. Henke machte ein überraschtes Gesicht.
    »Danke«, raunte ich Frank zu.
    »Tanja hat gesagt, dass sich das wohl erst mit dem Alter herausbildet. Zunächst trägt jedes Kind alle Farben in sich«, flüsterte Lena.
    Mit derartigen Neuigkeiten im Hinterkopf fiel es mir ungleich schwerer, mich auf den Matheunterricht zu konzentrieren. Dr. Henkes monotone Stimmlage wirkte auf mich ohnehin jedes Mal wie eine Schlaftablette. Heute musste ich mich ganz besonders anstrengen, seinen Ausführungen in den Themenbereichen der Analysis zu folgen. Aber es half nichts, meine Gedanken schweiften immer wieder ab. Es gab noch so viel Unbekanntes, was diese loduunischen Kinder betraf. Was war richtig im Umgang mit ihnen? Und was falsch?
    »Wie macht sich Frank eigentlich so?«, wollte Lena wissen.
    »Erstaunlich gut«, erwiderte ich.
    Dr. Henke zog drohend die Augenbrauen zusammen. Bedauerlicherweisewar sein für gewöhnlich verklärter Ich-bin-total-in-Mathe-verliebt-Blick heute gar nicht vorhanden. Mehr noch. Er schien wild entschlossen, uns etwas beibringen zu wollen.
    Lena seufzte fügsam und ich rückte ein Stück von ihr fort, um ebenfalls guten Willen zu demonstrieren.
    Frank hatte sich an unseren ersten drei gemeinsamen Tagen tatsächlich überraschend gut geschlagen. Er war mir zunächst zwar nicht von den Fersen gewichen – ich kam mir zeitweise wie eine Kängurumutter vor –, aber nachdem er am zweiten Tag von Tony, Hope und Luna nach draußen gezerrt worden war, kam er völlig eins mit sich und den dreien wieder.
    Erstaunlicherweise schien Frank der geborene Erzieher zu sein. Die Kinder liebten seinen müden Sinn für Humor und auch Franks technisches und physikalisches Geschick kam bei ihnen bestens an.
    Als es zur Pause klingelte, schreckte ich auf. »Was? Schon so spät?«
    Lena verdrehte die Augen. »So wird das nie was mit dir und Mathe.«
    Wir packten unsere Sachen zusammen und gingen quatschend den Gang hinab. Bis Lena plötzlich stehen blieb und entsetzt die Hände auf den Mund schlug. »Oh Gott. Mirjam Weiler hat die Kontrolle über ihr Laser-Schminkset verloren. Sie sieht ja aus wie ein aufgeblasenes Gummihuhn mit zwei dicken Regenwürmern im
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