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Sternenfaust - 193 - Der stählerne Stern

Sternenfaust - 193 - Der stählerne Stern

Titel: Sternenfaust - 193 - Der stählerne Stern
Autoren: Guido Seifert
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    *
     
    Kuhan’pili Vu’maiti blickte vom Südbalkon des Haupttempels Hekal’kichwa auf den Vorplatz hinunter. Die Jäger des neunten Jesh’kuwinda sammelten sich. Die Werfer befestigten ihre Netze an den Flanken der hohen, stämmigen und dicht bepelzten Tem’bos, während die Läufer sich jeweils zu dritt auf den Sattel ihres Reittiers schwangen. Allesamt waren sie besondere Männer, mit so scharfen Augen, dass sie mühelos das Dunkel durchdrangen.
    Der Kion’gosi, der Anführer des Jagdtrupps, gab lautstarke Anweisungen zur Gruppierung des Zugs.
    Was die Männer des neunten Jesh’kuwinda seit dem letzten Besuch Ten’brikums geleistet hatten, ging beinahe über Tum’waheri-Kräfte. Besonders die zurückliegenden drei oder vier Jagdzüge hatten gezeigt, wie blank die Nerven der Jäger lagen. Etliche von ihnen hatten im Getümmel einen Tum’duni schwer verletzt oder gar getötet. Und hier gab es kein Erbarmen. Ein solcher Jäger wurde zum Ai’bika, zum Entehrten, und hatte an die Stelle des blessierten oder hingeschiedenen Tum’duni zu treten. Er wurde wie ein gemeiner Tum’duni ins Mahal’vukito gesperrt und durfte darauf warten, Ten’brikum geopfert zu werden.
    Der neunte Jägertrupp hatte auf diese Weise beinahe ein Viertel seiner Männer verloren.
    Vu’maiti hob den Blick. In der Ferne glitten vier mächtige Ruk’nyenga durch den dämmrigen Himmel Wen’gulims. Ihre gewaltigen Hautschwingen bewegten sich sowohl träge als auch majestätisch auf und ab. Die riesigen Flugtiere steuerten auf eine grünliche Wolke zu, die sich aus Kamb’wani, dem Himmelsplankton Wen’gulims, gebildet hatte. Vu’maiti beobachtete, wie sich die monströsen, mit Barteln besetzten Mäuler der Ruk’nyenga langsam öffneten und die imposanten Tiere schließlich in die Kamb’wani-Wolke hineinstießen, um ihre Nahrung aufzunehmen.
    Vu’maitis Gedanken nahmen den Weg zurück zur Predigt Ken’gewas. Die Kuhan’pili wusste, dass die eindrucksvolle Motivierung der Jäger nur der mentalen Macht des Oberpriesters zu verdanken war. Ein Mann wie Ken’gewa wurde nur jede zweite Generation einmal geboren. Nur ein solch Hochbegabter hatte das Zeug, zum Kuhan’jaali zu werden. Nur ein solch Gesegneter hatte die Kraft, mit Ak’lothum in Verbindung zu treten. Doch Ken’gewa war alt – die Tage, die ihm verblieben, waren überschaubar. Und es gab bislang niemanden, der sich als geeignet erwiesen hätte, die Nachfolge Ken’gewas als Kuhan’jaali anzutreten.
    Vu’maiti musste sich selbst als Kandidatin ausschließen. Nicht etwa, weil sie eine Frau war – es hatte durchaus schon weibliche Kuhan’jaali in der Geschichte der Tum’waheri gegeben, wenn dies auch eher die Ausnahme war. Doch als Kuhan’pili, als diejenige, die in der priesterlichen Hierarchie den zweiten Platz einnahm, durfte sie Ken’gewa zwar ins Chin’yardhi Ak’lothum begleiten, wo der Oberpriester die durch den Gott gesandten Gesichte empfing, sie selbst war jedoch nie zum Gefäß dieser Visionen geworden, sie selbst war niemals in jene tranceartige Verzückung geraten, die Ken’gewa gefangen nahm, wenn ihm Ak’lothum die Verstecke der Tum’duni übermittelte.
    Vu’maiti war sich daher vollkommen sicher, nicht zur Kuhan’jaali geboren zu sein. Sie hatte es bis zur Kuhan’pili gebracht, und eben diese Position bezeichnete auch sehr genau die Grenze ihrer spirituellen Befähigung. Ein Kuhan’jaali musste eine mentale Macht besitzen, mit der es ihm ein Leichtes war, einem demoralisierten Jesh’kuwinda neue Euphorie einzuhauchen, sodass es frisch wie am ersten Tag ins Witum’kubwa aufbrach.
    So blieb die Frage nach wie vor unbeantwortet, was sein würde, wenn Ken’gewa starb.
    Der Jagdzug hatte sich mittlerweile formiert, und Vu’maiti bemerkte, wie der Kion’gosi die Karte, welche er von Ken’gewa erhalten hatte, sorgfältig zusammenfaltete und verstaute. Auf ihr waren jene neuen geheimen Tum’duni-Lager verzeichnet, die Ken’gewa in seiner letzten Vision erblickt hatte.
    Der Kion’gosi reckte die Hand über sein Haupt und rief den Startbefehl. Langsam und schwerfällig setzten sich die Tem’bos in Bewegung.
    Wenn Vu’maiti ehrlich zu sich selber war, bedauerte sie nicht nur die erschöpften Jäger, sondern auch ihre Opfer – die Tum’duni. Doch es war nicht zu ändern. Sie alle waren Teil einer Tradition, die bis in Urzeiten zurückreichte.
    Einer Tradition, die das Überleben der Tum’waheri
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