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Steinbrück - Die Biografie

Steinbrück - Die Biografie

Titel: Steinbrück - Die Biografie
Autoren: Daniel Goffart
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männlichen Amtskollegen in aller Welt humorvoll zu imitieren. Wenn sie gut aufgelegt ist, bietet sie recht unterhaltsame – und oft allzu menschliche – Einblicke in die Welt der eitlen Spitzenpolitiker.
    Nicht immer lädt die Kanzlerin zum ausführlichen Hintergrundbriefing in den Besprechungsraum im vorderen Teil des Flugzeugs. Will sie die Sache kurzhalten, dann geht sie selbst zu den Journalisten im hinteren Teil des Luftwaffen-Airbus, stellt sich in den Mittelgang, sagt ein paar Worte und steht für Fragen so lange zur Verfügung, bis sie keine Lust mehr hat, sich weiter ausquetschen zu lassen.
    Auch beim Rückflug vom G-20-Gipfel wählt Merkel die »Steh«-Variante. Sie betritt den Kabinenteil für die Medien zuerst, Steinbrück folgt ihr, dann der Regierungssprecher. Weil der Platz im Gang zwischen den Sitzen eng ist, muss Steinbrück entweder hinter Merkel stehen oder sich weiter nach vorne durchdrängeln. Wer ihn kennt, weiß, dass ein Hanseat wie er niemals auf die Idee käme, jemandem im wörtlichen Sinne zu eng auf den Leib zu rücken. Das gilt erst recht, wenn es um den gebotenen, respektvollen Abstand zur Kanzlerin geht – Wahlkampf hin, Wahlkampf her. So viel Anstand muss trotzdem sein. Also bleibt Steinbrück hinter der Chefin stehen, kann aber wegen der lauten Fluggeräusche in der Kabine weder verstehen, was Merkel sagt, noch was die Journalisten fragen.
    Die Kanzlerin spricht ein paar Worte, merkt allerdings schnell, dass sich Steinbrück akustisch im Abseits befindet. In der für sie typischen, unprätentiösen Art winkt sie ihren Kassenwart zu sich heran. »Kommen Sie mal lieber vor, Herr Steinbrück, sonst versteht Sie ja keiner«, fordert sie den Finanzminister auf. Der lässt sich nicht zweimal bitten. So geschieht es, dass Merkel und Steinbrück einen Tag vor der Bundestagswahl noch einmal das Bild eines eingespielten, erprobten Politikerpaars abgeben: Schulter an Schulter, eng aneinandergedrückt wie gute Kumpel oder wie Kollegen, die beim letzten Betriebsausflug für einen lockeren Schnappschuss posieren.
    Auch inhaltlich passt bei diesem Zusammentreffen über den Wolken kein Blatt Papier zwischen die CDU-Chefin und den stellvertretenden SPD-Vorsitzenden. Beide bewerten den Gipfel in gleicher Weise und präsentieren die gleichen Vorschläge, wenn es um künftige Rezepte zur Krisenbekämpfung geht. Zuerst spricht Merkel und fordert anschließend Steinbrück auf. »Wenn der Finanzminister noch etwas ergänzen will …« Der leitet dann sein Statement mit der Versicherung ein, dass die Kanzlerin bereits das Wesentliche gesagt habe und er lediglich eine Kleinigkeit hinzufügen werde.
    Am Ende wirkt dieser letzte gemeinsame Auftritt fast wie eine Verbrüderungsszene. Während unten am Boden die Wahlkampfschlacht tobt, geben die Feldherren hoch oben in luftiger Höhe noch einmal ein Bild vertrauter Harmonie ab. Die Journalisten merken das. Prompt wird Merkel gefragt, ob es ihr denn nicht leidtäte, je nach Wahlausgang einen so tüchtigen Finanzminister zu verlieren. Die Kanzlerin schmunzelt. Natürlich hat sie den Braten gerochen. Reagiere nie auf »Was-wäre-wenn-Fragen« lautet eine eiserne Regel für Politiker. Sie antwortet deshalb ausweichend. »Darüber entscheide ja nun nicht mehr ich, sondern der Wähler«, meint die Regierungschefin. Um weiteren Fragen vorzubeugen, bedankt sie sich bei den Medien für ihr Interesse, dreht sich abrupt um und nimmt im Weggehen ihren Finanzminister mit. »Kommen Sie, Herr Steinbrück, jetzt ist es genug.«
    Der so Angesprochene kann sich jedoch einen letzten Kommentar nicht verkneifen. Er grinst, bleckt die Zähne und zeigt den Journalisten sein Haifischlächeln. Das tut er immer, wenn er kritische oder gar tückische Fragen aus professioneller Sicht zwar anerkennt, sie aber eigentlich nicht beantworten will. Manchmal schafft er es sogar, die Medienvertreter mit seiner grimmigen Miene einzuschüchtern. An seinem letzten Amtstag gelingt ihm das nicht mehr. Die Frage, ob Merkel die drohende Abwahl ihres tüchtigen Finanzministers bedauern würde, hat ja durchaus einen realen Hintergrund. Steinbrück, der Krisenmanager der Kanzlerin, plötzlich als Pensionär? »Das hätten Sie wohl gerne«, lacht Steinbrück, »warten Sie’s doch einfach ab!«

Kapitel 2
    Kindheit in Ruinen
    D ie furchtbaren Spuren der »Operation Gomorrha« haben sich über Jahrzehnte in das Antlitz der Freien und Hansestadt Hamburg gegraben. Der Name des britischen Kommandounternehmens
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