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Steinbrück - Die Biografie

Steinbrück - Die Biografie

Titel: Steinbrück - Die Biografie
Autoren: Daniel Goffart
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Steinbrück noch am ehesten zugetraut, über den Kreis der SPD-Anhänger hinaus Zustimmung zu mobilisieren. Wer ihn bei seinen zahlreichen Auftritten in ganz Deutschland erlebt hat, der spürt, dass er beim bürgerlichen Publikum ungewöhnlich gut ankommt und auch enorme Chancen im wachsenden Lager der Nichtwähler hätte.
    Wie sich die SPD entscheidet, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt, in dem dieses Buch abgeschlossen wird, völlig offen. Im Sommer 2012 standen die Eurokrise und die sich zuspitzende Lage in Spanien und Italien im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Der Bundestag musste zu Sondersitzungen zusammentreten, um Hilfen für die spanischen Banken zu beschließen. Deutschland wird von der EU und den Finanzmärkten immer stärker in die Rolle des zahlenden Helfers gedrängt. Der Unmut darüber ist hierzulande mit Händen zu greifen. Viele Bürger fürchten, Geld in ein Fass ohne Boden zu werfen und am Ende sogar noch mit ihren eigenen Spareinlagen für die Schulden anderer Länder zu haften.
    Auch bei den Regierungsfraktionen CDU, CSU und FDP wächst die Zahl der Abgeordneten, die der Rettungspolitik der Kanzlerin nicht mehr folgen wollen. Bei der Abstimmung über den dauerhaften europäischen Rettungsfonds ESM im Juli 2012 verfehlte die Regierung im Parlament die sogenannte Kanzlermehrheit, erreichte also nicht die Mehrzahl der im Bundestag vorhandenen Stimmen. Angela Merkel scheint das nichts anhaben zu können – ihre Popularitätswerte stiegen im Sommer 2012 sogar noch an.
    Und die SPD? Sie votierte mit der Regierung für den Rettungsfonds ESM. Das war verantwortungsbewusst. Langfristig jedoch begeben sich die Sozialdemokraten damit in eine Zwickmühle. Einerseits müssen sie als größte Oppositionsfraktion die Regierung überwachen, kritisieren und selbst für Alternativen sorgen. Auf der anderen Seite können europäische Grundsatzentscheidungen wie etwa die Einrichtung eines milliardenschweren Rettungsfonds nur mit einer Zweidrittelmehrheit im Bundestag beschlossen werden.
    Unter der Führung von Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier hat sich die SPD zu einer staatstragenden Rolle bekannt und bei den entscheidenden Abstimmungen stets zugestimmt. Dass sie damit der strauchelnden schwarz-gelben Regierung ein ums andere Mal die rettende Hand reicht, ist vielen SPD-Abgeordneten ein Dorn im Auge. »Wir sind nicht der Dackel von Frau Merkel«, schimpfte beispielsweise der Vorsitzende der Parlamentarischen Linken, Ernst Dieter Rossmann, in einem Focus -Interview im Juli 2012. In den Reihen der Sozialdemokraten mehren sich seitdem die Stimmen, die Steinmeier zu einem härteren Oppositionskurs zwingen wollen, weil man nur so zu einer Ablösung der Regierung und zu anschließenden Neuwahlen gelangen kann.
    Bei all diesen Diskussionen halten sich SPD-Chef Sigmar Gabriel und Peer Steinbrück erkennbar zurück. Gabriel wird nachgesagt, er wolle Steinmeier nicht hineinregieren, würde im Zweifel aber eher eine härtere Linie verfolgen.
    Steinbrück hingegen kritisiert zwar die vielen Volten der Kanzlerin in der Europapolitik, tritt jedoch ebenso wie Steinmeier eher für einen konstruktiven Oppositionskurs ein. Dabei wird nicht erkennbar, wer in der Frage der Strategie und Taktik die Führung übernehmen möchte. Da sich die Troika darauf verständigt hat, die Entscheidung über die Kanzlerkandidatur erst Ende Januar 2013 nach den Landtagswahlen in Niedersachsen zu treffen, wird wohl keiner der drei SPD-Politiker vorher aus der Deckung kommen.
    Bis dahin kann der interessierte Leser in diesem Buch etwas mehr aus dem bewegten Leben von Peer Steinbrück erfahren. Ich habe versucht, den Menschen ebenso darzustellen wie den Politiker und dabei die Geschehnisse in den jeweiligen Kontext ihrer Zeit einzuordnen.
    An dieser Stelle soll auch nicht verschwiegen werden, was ich selbst von der Hauptperson meines Buches halte: Peer Steinbrück besitzt die Fähigkeit, das höchste Regierungsamt zu führen. Er »kann Kanzler«, kein Zweifel. Die entscheidende Frage ist nur, ob man ihn lässt.
    Daniel Goffart
    Berlin, im Juli 2012

Kapitel 1
    »Geschätzte Gegnerin«
    D ie Stimmung an Bord des Luftwaffen-Airbus Konrad Adenauer ist gelöst. Die noch aus DDR-Beständen stammende Regierungsmaschine hat ihre Reiseflughöhe erreicht. Die Anschnallzeichen sind erloschen. Stewardessen in Bundeswehruniformen bringen Getränke und Snacks. Die zahlreichen Regierungsmitarbeiter und Journalisten, die die Delegation begleitet haben, atmen durch.
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