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Steinbrück - Die Biografie

Steinbrück - Die Biografie

Titel: Steinbrück - Die Biografie
Autoren: Daniel Goffart
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ein Zufall ist.
    Doch bei der Lektüre der Pressemappe einen Tag vor der Bundestagswahl sinkt Steinbrücks Laune ebenso wie seine grundsätzlich positiven Gefühle für Merkel. Während die Kanzlerin in den Medien mit ihrer verhaltenen G-20-Erfolgsbilanz und ihrer in Deutschland stets populären Kritik am angelsächsischen Finanzgebaren breit zitiert wird, fällt Steinbrücks Name nur im Zusammenhang mit dem größten Misserfolg des Gipfels: Es ist den Deutschen in Pittsburgh nämlich nicht gelungen, ihre Idee von einer globalen Finanzmarkttransaktionsteuer durchzusetzen. Das Projekt, verkürzt »Börsensteuer« genannt, stellte zwar während der vergangenen Legislaturperiode eine Forderung der gesamten schwarz-roten Bundesregierung dar. Weil es sich aber zuvorderst um eine Steuer handelt, wurde meistens der Bundesfinanzminister damit in Verbindung gebracht. Einen Tag vor der Wahl ein ärgerlicher Umstand für Steinbrück.
    Vor allem die USA und Großbritannien mit ihren Börsenplätzen New York und London hatten sich auf dem G-20-Gipfel in Pittsburgh vehement gegen die Forderung der Kontinentaleuropäer gesperrt, ähnlich wie bei der Mehrwertsteuer künftig jede Finanzmarkttransaktion zu besteuern – diesen Widerstand haben sie bis heute nicht aufgegeben. Die Idee für eine solche Steuer war entstanden, weil nach Ausbruch der Krise 2008 fast alle Industriestaaten händeringend nach Einnahmen suchten. Schließlich mussten die astronomischen Summen zur Rettung der taumelnden Banken ebenso aufgebracht werden wie die vielen Milliarden für Konjunkturprogramme zur Ankurbelung der Wirtschaft. Im Wahlkampf 2009 war der stellvertretende SPD-Vorsitzende Steinbrück deshalb schon lange vor der G-20-Konferenz nicht müde geworden, den griffigen Plan von der Finanzmarkttransaktionsteuer zu propagieren. »Die Banken müssen ihren Teil zu den Rettungskosten beisteuern«, hatte Steinbrück bei jeder Gelegenheit erklärt. Schließlich trage der Finanzsektor die Hauptschuld an der Krise, und »deren Folgen kann man nicht alleine beim Steuerzahler abladen«.
    Diese Botschaft passte hervorragend in das politische Umfeld der Bundestagswahl von 2009, und bei der nächsten Wahl 2013 wird das nicht anders sein: Erstens scheint es nur gerecht und plausibel, den in weiten Teilen der Bevölkerung verhassten Banken endlich einmal an den Kragen zu gehen. Und zweitens macht es sich gerade für Sozialdemokraten im Wahlkampf immer gut, von den reichen Hedgefonds-Managern und Spekulanten einen Teil der Rettungskosten einzufordern. Dass am Ende alle Bankkunden, also auch der berühmte »Bürger auf der Straße«, diese Steuer bei jedem kleinen oder großen Bankgeschäft mit bezahlen müssten, geht im politischen Streit um dieses Instrument leicht unter.
    Allerdings will nicht nur die SPD mit der Börsensteuer punkten. Auch Merkel entdeckte nur zwei Jahre nach dem Ende der Großen Koalition den politischen Charme der Börsensteuer als Gerechtigkeitsfrage neu. Inzwischen tritt die Kanzlerin energisch dafür ein, eine Reihe von Finanztransaktionen in der gesamten Europäischen Union zu besteuern. Falls das nicht möglich sein sollte, will sie die Börsensteuer eben nur innerhalb der Eurozone oder im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit mit mindestens acht weiteren Ländern einführen. Eine Strategie, die zeigt, wie stark die Kanzlerin eigentlich in zentralen politischen Fragen mit Steinbrück übereinstimmt. Die Besteuerung der Banken als gerechter Ausgleich ist ein hochaktuelles Thema geblieben, und Merkel ist mittlerweile viel zu erfahren im politischen Geschäft, um dieses Thema allein den Sozialdemokraten zu überlassen.
    Bei der zweiten Pressemappe, die Steinbrück an diesem letzten gemeinsamen Arbeitstag mit Angela Merkel auf dem Rückflug nach Berlin durchliest, geht es um den Endspurt im laufenden Wahlkampf. Auch diese Berichte heben seine Laune nicht. Die SPD befindet sich im September 2009 in einer fast verzweifelten Lage. Die Umfragen der führenden Institute haben Zustimmungswerte zwischen frustrierenden 25 und 28 Prozent ermittelt.
    Dagegen liegen CDU/CSU mit 32 bis 38 Prozent deutlich vorne und führen während der gesamten Kampagne das Ranking unter den beiden Volksparteien an. Die FDP als erklärter Wunschpartner eines »bürgerlichen Bündnisses« kann sich mit 9 bis 12 Prozent sogar über eine ungewöhnlich hohe Zustimmung freuen. Die Liberalen profitieren anscheinend stark von der Enttäuschung, die sich 2009 in konservativen
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