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Steinbrück - Die Biografie

Steinbrück - Die Biografie

Titel: Steinbrück - Die Biografie
Autoren: Daniel Goffart
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Kreisen sowie im wirtschaftlich orientierten Mittelstand über Merkels Modernisierungspolitik breitgemacht hat. Eine schwarz-gelbe Regierung erscheint also an diesem Wahlsonntag durchaus möglich. Dagegen fehlt der SPD jede Machtperspektive.
    Wie konnte es dazu kommen?
    Die gesamte SPD-Parteispitze hatte schon zu Beginn des Wahlkampfs ganz auf rot-grüne Erneuerung gesetzt und für die Bundesebene eine Koalition mit der Partei »Die Linke« eindeutig ausgeschlossen. Das konnte man später nicht mehr korrigieren, selbst wenn viele bei SPD und Grünen den Verzicht auf die rot-rot-grüne Option als politische Selbstfesselung ablehnten. Allerdings war der entsprechende Versuch von Andrea Ypsilanti, nach der knapp verlorenen Hessen-Wahl im Februar 2009 mithilfe der Linken doch noch an die Macht zu kommen, desaströs gescheitert. Einige aufrechte Abgeordnete der SPD-Landtagsfraktion hatten sich damals standhaft geweigert, den Wortbruch ihrer Vorsitzenden Ypsilanti in die Tat umzusetzen. Außerdem war und ist für Steinmeier wie für Steinbrück eine Kooperation mit der SED-Nachfolgepartei auf Bundesebene nicht denkbar – in welcher Form auch immer.
    Also setzte die SPD 2009 nach diversen Führungswechseln und Turbulenzen an der Parteispitze ganz auf ihre verbliebenen Topleute: Auf den krisenerprobten Finanzminister Steinbrück, den damals noch populären Parteichef Franz Müntefering und den vertrauenswürdigen Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier. Im Gegensatz zu anderen Dreierbündnissen wurde dieses Trio allerdings nie als »Troika« bezeichnet. Die drei Männer bildeten eher eine informelle Führungsgemeinschaft. Mit ihr sollte die Sozialdemokratie als tatkräftige, wirtschaftsfreundliche Partei mit sozialem Gewissen wieder auf Erfolgskurs steuern. Doch alle Hoffnungen, die sich in dem eckigen Wahlkampfslogan Anpacken. Für unser Land bündelten, wurden früh enttäuscht. Neben der Hessen- ging auch die Europawahl mit ernüchternden 20,8 Prozent für die SPD verloren – das »Superwahljahr 2009« begann also ziemlich schlecht. Überhaupt gelang es der SPD während der gesamten Bundestagskampagne nie, in den Umfragen nur annähernd zur CDU/CSU aufzuschließen. Bei Licht betrachtet durfte Steinbrück an seinem letzten Amtstag der abgelaufenen Legislaturperiode also bloß noch darauf hoffen, dass Schwarz-Gelb die erforderliche Mehrheit verfehlte. Dann könnte die SPD zusammen mit Merkel wenigstens die Große Koalition fortsetzen.
    Zwischenzeitlich hatte es mehrere Versuche gegeben, neben den Grünen zusätzlich die FDP ins Boot zu holen, falls es für Schwarz-Gelb nicht reichen würde. Doch alle »Ampelambitionen« Steinmeiers waren an der Standhaftigkeit der Liberalen und ihres damals noch starken Vorsitzenden Guido Westerwelle gescheitert. Die FDP hatte sogar zwei Wochen vor der Wahl auf einem Parteitag ausdrücklich beschlossen, lieber in die Opposition zu gehen, als einer rot-grün-gelben Koalition beizutreten. Da war also offenkundig nichts mehr zu machen.
    Entsprechend missmutig legte Steinbrück deshalb die aktuellen Artikel über den zu Ende gehenden Bundestagswahlkampf beiseite. Wenn es nach ihm ginge, würde er in der Konstellation mit der Union gerne als Finanzminister weiterregieren. Das hat er natürlich nie laut sagen dürfen, aber insgeheim hoffte und hofft Steinbrück, dass sich diese Perspektive doch noch bieten könnte. Und wäre es in der derzeitigen Krise nicht ohnehin am besten, eine stabile Regierung mit erfahrenen Ministern und breiten Mehrheiten zu bilden?
    Mit Merkel blieb er als Finanzminister selbst in den kritischsten Augenblicken immer auf einer Linie. Gemeinsam beschworen sie die US-Regierung, nach dem Investmentbankhaus Lehman Brothers nicht auch noch den taumelnden Versicherungskonzern AIG fallen zu lassen. Und ebenfalls gemeinsam entschieden sie nach langen Gesprächen mit dem damaligen Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, nicht sämtliche Kreditinstitute in Deutschland zur Annahme staatlicher Mittel zu zwingen. Und das, obwohl die USA und die Wall Street die europäischen Regierungen massiv dazu drängten.
    Auch die Rettung der angeschlagenen Commerzbank und die Enteignung der völlig überschuldeten Hypo Real Estate (HRE) setzten Merkel und Steinbrück in gewaltigen politischen Kraftakten durch – gegen enorme Widerstände in den beiden Koalitionsparteien. Bei der zwingend notwendigen Enteignung der HRE beispielsweise legte sich der damalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble
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