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Stein der Dämonen

Stein der Dämonen

Titel: Stein der Dämonen
Autoren: Hubert Haensel
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Kopf, dann strich er Harz auf ihre Gesichtswunden.
    Hinter ihm wurden Schritte laut und aufgeregtes Pfeifen. Jemand legte eine Hand auf seine Schulter, wohl um ihm Einhalt zu gebieten, doch Mythor stieß ihn wütend beiseite.
    »Lasst mich!« schrie er. »Oder viele von euch werden die Schärfe meiner Klinge zu spüren bekommen.«
    Von da an bedrängten sie ihn nicht mehr, wohl aber machten sie beschwörende Gesten. Es war Mythor egal, ob sie ihre Götter anriefen oder Dämonen. Mit äußerster Behutsamkeit zerriss er die zum Teil blutverkrusteten Kleidungsstücke, die Mistras Körper ohnehin nur mehr dürftig verhüllten. Mit den Fingerspitzen verteilte er das wenige Harz, das ihm verblieben war, auf ihre Wunden. Täuschte er sich, oder hob und senkte sich ihr Brustkorb unter seinen Händen?
    Der Beutel war leer, als Mythor endlich glaubte, genug getan zu haben. Entschlossen, nun die Fragen zu stellen, die ihm auf den Lippen brannten, wandte er sich um.
    Der Stumme deutete auf das Leder. Wenn er auch noch immer schwieg, so zeigte doch der Blick seiner Augen, dass er ebenfalls auf eine Antwort wartete. Und hinter ihm standen weitere Vermummte mit gezückten Klingen.
    »Der Beutel gehört mir«, sagte Mythor. »Ebenso wie alles andere. Vogelreiter haben mich überfallen und mir die Sachen abgenommen.«
    Woher hast du sie? schien jede Geste des Stummen zu fragen. Beschwörend streckte er die Arme aus.
    »Ich habe sie rechtmäßig erworben… in den Stützpunkten des Lichtboten.«
    Sein Gegenüber schritt zur Tür und deutete hinüber zu den Pferden, in deren Nähe sich Pandor und der Bitterwolf aufhielten, und schließlich zum Himmel hinauf, womit er wahrscheinlich den Schneefalken meinte.
    »Die Tiere begleiten mich«, nickte Mythor, woraufhin der Stumme eine Bewegung machte, als wolle er einen Pfeil auf die Sehne eines Bogens legen und schießen.
    Damit konnten nur Sternenbogen und Mondköcher gemeint sein. Woher wusste der Mann überhaupt, dass es diese Waffen gab?
    »Meine Ausrüstung stammt aus fünf Fixpunkten des Lichtboten.« Mythor fühlte, dass er damit nicht länger hinter dem Berg halten durfte. »Leider kam mir am Baum des Lebens ein anderer zuvor. Er nennt sich Arruf oder auch Luxon, und wer weiß, wie viele Namen er noch haben mag. Mir blieben nur das heilende Harz und ein halbes Dutzend Samenzapfen.«
    Er hatte kaum geendet, als der Stumme aufgeregt zu gestikulieren begann. Die Pfeiflaute, die er ausstieß, klangen schrill und abgehackt. Mythor verstand nicht, was sein Gegenüber ihm damit klarmachen wollte.
    Doch dann zeigte dieser auf sich selbst und streckte die Faust mit verdecktem Daumen hoch. Das Ganze wiederholte er noch zweimal.
    »Vierfaust«, sagte Mythor spontan. »Du zeigst mir vier Finger, die du zur Faust ballst. Ich werde dich also Vierfaust nennen.«
    *
    Sie betrachteten ihn wie ein seltenes Tier. Mythor empfand Widerwillen dabei, und nur die Aussicht, vielleicht Dinge zu erfahren, die ihm bisher verborgen geblieben waren, ließ ihn ausharren.
    Zusammen mit Vierfaust saßen sechs weitere Vermummte im Kreis um ihn und seine Habseligkeiten. Jeder hatte auf einem Tierfell Platz genommen. Eine kostbare Silberschale machte die Runde, die gefüllt war mit goldglänzendem Öl, dessen Duft betäubend wirkte. Mit dieser Flüssigkeit wuschen die Stummen sich die Hände, und dann richteten sie sich auf und betasteten nacheinander das Mal hinter Mythors rechtem Ohr, was ihnen aufgeregte Pfiffe entlockte.
    Aus einer unergründlichen Falte seines Umhangs zauberte Vierfaust schließlich eine Pfeife hervor, die er mit Hilfe zweier winziger Feuersteine entzündete. Er reichte sie dem rechts neben ihm Sitzenden, der daraufhin seinen Gesichtsschleier löste.
    Mythor stockte der Atem. Alles hatte er erwartet, das nicht.
    Der Mund des Stummen war nur eine verschwollene, zum Teil von Krusten bedeckte Narbe. Deutlich konnte man noch die Einstiche erkennen, mit denen vor langer Zeit die Lippen zusammengenäht worden waren. Lediglich eine kleine Öffnung war geblieben, gerade groß genug zur Aufnahme flüssiger Nahrung.
    Die Pfeife wurde jedoch durch die Nasenlöcher geraucht. Jeder der Stummen machte etliche tiefe Züge, bevor er sie an seinen Nebenmann weiterreichte.
    Nach einer Weile hatten alle sieben ihre Schleier abgelegt. Mythor blickte in asketische Gesichter mit scharfrückigen, geraden Nasen, hervorstechenden Backenknochen und vorgewölbten Augenbrauen. Sie wirkten alle gleich, mit Ausnahme von
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