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Stein der Dämonen

Stein der Dämonen

Titel: Stein der Dämonen
Autoren: Hubert Haensel
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war weder bei den Gefallenen noch bei jenen, die, als sie die Aussichtslosigkeit ihrer Lage erkannten, in den Schutz des hohen Grases flohen. Die Stummen folgten ihnen nicht, sondern ritten nach kurzem Aufenthalt weiter.
    Noch immer empfand Mythor ihnen gegenüber Unbehagen. Doch nun besaß er wenigstens eine Waffe, auf die er sich verlassen konnte.
    Mistra stöhnte wie im Fiebertraum. Ihr Gesicht war blass und ihr Atem kaum noch zu fühlen. Die Geschwüre waren zum Teil aufgebrochen und sonderten eine blutige Flüssigkeit ab. Zweifellos würde sie sterben, wenn ihr nicht bald Hilfe zuteil wurde .
    Aber sosehr Mythor auch hoffte, die Götter schickten kein Zeichen. Und die Stummen machten ihrem Namen weiterhin alle Ehre.
    Sollte er sie zwingen, wenigstens das Ziel ihres Rittes preiszugeben? Er würde es tun müssen, wollte er Mistra noch retten.
    Schon hob er das Krummschwert an, als der Schrei des Schneefalken durch die Lüfte klang. Mit angelegten Schwingen zog Horus an Mythor vorüber und schwang sich wieder hinauf in die Wolken, wo er abermals sein Krächzen ertönen ließ.
    Ein anderer Ruf antwortete ihm.
    »Hark!« schrie Mythor voll freudiger Erregung.
    Der Bitterwolf stürmte aus dem dichten Gras hervor. Schweifwedelnd sprang er auf Mythor zu, der plötzlich wieder Mühe hatte, seinen Rappen zu zügeln.
    Und dann kam Pandor herangetrabt. Das Einhorn trug noch zwei Leinen um den Hals, deren Enden es hinter sich herzog. Mythor befreite es davon und wechselte dann auf seinen Rücken über. Mistra stöhnte, als er sie hochhob.
    Die Vermummten ließen es geschehen; einer von ihnen nahm den Rappen am Zügel. Ihre Haltung schien Zufriedenheit auszudrücken, und in ihren Augen glaubte Mythor so etwas wie versteckte Ehrfurcht zu erkennen. Aber er war sich dessen keineswegs sicher.
    Die Sonne hatte sich etwa um eine Handbreit weiter dem Abend zugeneigt, als man einige Steinhütten erreichte, die selbst aus der Nähe dem ungeübten Auge noch verborgen blieben. Sie verschwanden fast unter dem hohen Steppengras. Auf ihren flachen Dächern war zudem Erde angeschüttet, in der allerlei Pflanzen und sogar Sträucher wuchsen. Mit Gesten wurde Mythor aufgefordert, eines der kreisförmig angeordneten Gebäude zu betreten. Er musste sich bücken, um unter überhängenden Kletterpflanzen in einen Raum zu gelangen, dessen geheimnisvolles Halbdunkel wohl so manches vor seinen Blicken verbarg. Mistra, die er auf seinen Armen trug, ließ er sanft auf die Decken gleiten, die einer der Vermummten neben ihm ausbreitete.
    Ein schwerer, süßlicher Geruch lag in der Luft, der benommen machte. Mythor bemühte sich, möglichst flach zu atmen. Seine Hand ruhte auf dem Schwertgriff.
    Langsam gewöhnte er sich an die Dunkelheit. Nur wenige Schritt von ihm entfernt saß jemand. Anhand verschiedener Merkmale glaubte Mythor zu erkennen, dass es der Stumme war, der den Schimmel ritt. Der Mann starrte ihn auch jetzt aus großen Augen an. Komm her! schien sein Blick zu sagen.
    Mythor trat näher. Erst unmittelbar vor einem Tigerfell, das über irgendwelche Gegenstände auf dem Boden ausgebreitet war, verharrte er. In einer Ecke des Raumes standen noch ein kleiner Tisch und zwei Hocker. Weitere Möbel gab es nicht.
    »Wer bist du?« fragte der Kometensohn. »Weshalb hat man mich zu dir gebracht?«
    Die Antwort bestand aus ein paar einschmeichelnden Pfeiflauten von seltsamer Melodie. Der Stumme bückte sich und zog mit einer ruckhaften Bewegung das Fell zurück – und Mythor erstarrte.
    Da lag Alton vor ihm und leuchtete wie eh und je.
    Daneben lagen der Helm der Gerechten, der leonitische Königssattel und das Orakel-Leder. Quyl hatte sein Flehen also doch erhört.
    Mythor störte sich nicht daran, dass sein Gegenüber wütende Pfiffe ausstieß und schließlich aufsprang, um ihn daran zu hindern, das zu tun, was er tun musste. Er riss die Satteltasche auf. Da war der letzte Zapfen vom Baum des Lebens, daneben der Lederbeutel mit dem Harz.
    Mythor stieß die Hand des Vermummten zur Seite, als dieser ihn festhalten wollte. Ihm war völlig gleichgültig, was geschah, notfalls würde er sich mit der Waffe in der Hand den Weg freikämpfen. Er begann sich zu fragen, was der Stumme mit seiner Ausrüstung vorgehabt hatte. Wozu zeigte dieser sie ihm erst, wenn er doch nicht darüber verfügen durfte?
    Bleich und mit eingefallenen Wangen lag Mistra da. Zweifellos war sie dem Tod näher als dem Leben. Ihr Atem war kaum zu fühlen. Vorsichtig hob Mythor ihren
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