Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stein der Dämonen

Stein der Dämonen

Titel: Stein der Dämonen
Autoren: Hubert Haensel
Vom Netzwerk:
Vierfaust, dessen Augen wegen fehlender Brauen besonders groß erschienen. Auch hatte er einen kahlen Schädel, wodurch sein knöchernes Gesicht noch kantiger wirkte, als dies ohnehin der Fall war. Offenbar handelte es sich nicht um die Merkmale eines Volksstamms, sondern um bewusst herbeigeführte Eigenschaften, sei es nun durch eine besondere Auslese oder aber durch Knochenverformungen bei Neugeborenen.
    Doch nicht allein das versetzte Mythor in Erregung, sondern auch die Hautfarbe der Stummen, die der seinen glich und dunkel war wie ihre Haare. Verband sie und ihn gar noch mehr miteinander als diese bloße Äußerlichkeit?
    Vierfaust hielt ihm die Pfeife hin, und er musste ebenfalls kräftig schmauchen. Der Rauch brannte in seiner Nase und trieb ihm Tränen in die Augen.
    Krampfhaft unterdrückte Mythor den aufkommenden Niesreiz. Ihm wurde schwindlig, seine Sinne umwölkten sich mit tanzenden Dunstschleiern. Es war wie im Rausch. Obwohl er noch erkannte, was mit ihm geschah, war er doch nicht mehr fähig, sich dagegen zu wehren. Leicht wie eine Feder im Wind flog er über die höchsten Gipfel der Welt dahin.
    Gleich einem Gemälde von göttlicher Hand lag das Land unter ihm, gleißend im goldenen Schein der Sonne. Mythor glaubte plötzlich, alle Zusammenhänge zu verstehen, aber es war ihm unmöglich, dieses Wissen zu fassen. Sobald er meinte, einen Zipfel des Geheimnisses gelüftet zu haben, senkte sich erneut der Schleier des Vergessens über ihn.
    Er war in einem Taumel befangen, der ihn bis ans Ende der Welt führte. Zwischendurch aber stürzte er immer wieder in die Wirklichkeit zurück, die kalt war und nüchtern und ihn abschreckte. Er sah, dass Vierfaust ihm die Handflächen entgegenstreckte und ihn durch Gesten dazu ermutigte, seine Hände dagegen zu drücken. Irgendwann tat er es auch. Ein Pulsieren sprang auf ihn über, das wie sein eigener Herzschlag war. Die Augen des Stummen schienen sich in den seinen festzubrennen. Schier unerträglich wurde der Blick, und doch schien Vierfaust ihm etwas Bedeutungsvolles mitteilen zu wollen.
    Für einen Moment war es Mythor, als könne er eine lautlose Stimme in seinem Kopf hören. Da war ein Flüstern in ihm, das ihn bedrängte, aber er verstand nichts von dem, was es ihm zu sagen hatte.
    Wieder schwebte er über der Welt, diesmal jedoch sah er das düstere Band der Straße des Bösen unter sich, das schnell näher kam.
    Als er die Augen aufschlug und alles um ihn herum in einem wilden Reigen gefangen war, begriff der Kämpfer des Lichtes, dass der Rauch seine Sinne verwirrte.
    Vierfaust erhob sich wütend. Seine Gesten ließen Unzufriedenheit erkennen. Ohne sich Mythor noch einmal zuzuwenden, verließ er die Hütte! Die anderen folgten ihm.
    Als Mythor nach einer Weile taumelnd auf die Beine kam und noch immer ein wenig benommen die Tür aufstieß, bedeuteten ihm die Schwerter zweier Vermummter unmissverständlich, dass er von nun an ihr Gefangener war.
    »Der Stumme Große wird dich jetzt für einen Betrüger halten.«
    Das war Mistras Stimme, zitternd und voller Enttäuschung. Ihre Worte verrieten, dass sie schon vor einiger Zeit aus ihrer Ohnmacht erwacht sein musste. Vorwurfsvoll fügte sie hinzu: »Du hast sein stummes Rufen nicht vernommen. Das muss ein schwerer Schlag für ihn gewesen sein.«
    Mythor konnte sehen, dass das Harz inzwischen seine Wirkung getan hatte. Die Schwären waren verschwunden, die Haut des Mädchens schimmerte wieder makellos und weich. War sie bisher stets darauf bedacht gewesen, ihre weiblichen Reize zu verleugnen, so schien sie sich zumindest im Augenblick ihrer Nacktheit nicht bewusst zu werden.
    »Und wer«, wollte Mythor von ihr wissen, »glaubte Vierfaust zuvor, dass ich sei?«
    »Er hielt dich für den Sohn des Kometen!« Mistra sagte es so, als sei dies die natürlichste Sache überhaupt. »Schließlich habe ich selbst ihn darauf aufmerksam gemacht, sonst hätten die Stummen Großen dich wohl nie aus der Gewalt meines Vaters befreit. Du wärst ein Niemand für sie gewesen.«
    »Ist Rochad…?«
    »Er und die anderen sind gelaufen wie die Hasen, als die Stummen erschienen. Ich sagte dir bereits, dass ich deren Sprache verstehe. Das sind die Gesten und Zeichen und die Pfeiflaute. Daher weiß ich, dass die Großen auf die Rückkehr des Sohnes des Kometen warten, denn in diesem Gebiet, sagen sie, sei er verschollen. Von ihnen kenne ich auch den Ort seiner Wiederkehr.«
    »Wo?« platzte Mythor heraus, und er packte Mistra an den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher