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Stein der Dämonen

Stein der Dämonen

Titel: Stein der Dämonen
Autoren: Hubert Haensel
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hielt sich nach Norden. Er wusste nicht, ob auch hier Heymals lauerten, doch sicher ritten die meisten von ihnen auf den Spuren des Einhorns. Mit den anderen mochten die Stummen Großen sich herumschlagen.
    Das hohe Steppengras versperrte die Sicht. Mythor bemerkte den einzelnen Vogelreiter erst, als dieser schon gefährlich nahe war.
    Mistra schrie auf. Im nächsten Moment riss der Sohn des Kometen sein Pferd herum und wollte sich auf den Angreifer stürzen. Aber der Bitterwolf kam ihm zuvor. Plötzlich bäumte sich das Orhako auf und warf seinen Reiter zu Boden. Mythor kümmerte sich nicht länger darum, wusste er doch, dass Hark selbst auf sich achten konnte.
    Als die Sonne später über den Horizont heraufstieg und ihre Strahlen die Ebene in ein unwirkliches Licht tauchten, zeichneten sich in einiger Entfernung die ersten schroffen Ausläufer des Korallengebirges ab, und davor zog sich das schwarze Band der Straße des Bösen durch die Steppe wie verbrannt wirkendes Land, das nur die Saat der Finsternis, aber kein Leben trug. Hark lief vor Mythor und Mistra über die Steppe. Immer wieder hielt er inne und wandte sich um, als wolle er die beiden Reiter auffordern, ihm zu folgen.
    War es hier gewesen?
    Verzweifelt suchte Mythor nach einer Antwort. Doch gab es nichts, an das er sich erinnerte.
    Nur der Schrei des Bitterwolfs verband die Vergangenheit noch mit dem Jetzt. Den Schrei von damals – hatte wirklich Hark ihn ausgestoßen?
    Mythor fühlte sich innerlich aufgewühlt und unruhig. Würde er endlich das ersehnte Wissen finden, den Schlüssel zu seiner Kindheit, oder würde er am Schluss gar bedauern, jemals wieder seinen Fuß auf dieses Land gesetzt zu haben?
    Steil wuchsen die Felsen vor ihm auf. Düster und drohend, geheimnisvoll.
    Ein Sonnenstrahl fiel durch die Wolken herab. Für einen Augenblick blieb er zitternd stehen, dann bewegte er sich vor Mythor her nach Norden und verharrte schließlich auf der Straße des Bösen.
    »Sieh!« rief Mistra erschrocken aus.
    Ein Omen? Mythor erinnerte sich daran, dass ein seltsames Licht um ihn gewesen sein sollte, als die Marn ihn fanden.
    Doch der Strahl erlosch, bevor er ihn erreichte. Verwundert stellte Mythor fest, dass in unmittelbarer Nähe der Boden aufgebrochen war. Ein mächtiger Krater gähnte dort am Rand der Straße. Ringsum fanden sich Dutzende kleinerer Löcher, die sich bis weit in die Steppe hineinzogen. An ihren Rändern waren oftmals mannshohe Wälle aufgeworfen, die der Erde in diesem Gebiet ein pockennarbiges Antlitz verliehen.
    Immer öfter ließ Hark seinen Schrei hören. Als dann die ersten schemenhaften Gestalten aus dem Krater hervorkamen, begann er sich wie toll zu gebärden. Sein Heulen schien diese Wesen geradezu mit magischer Kraft anzuziehen.
    Mythor versank in einem Meer von Empfindungen. Plötzlich hatte er das Gefühl, alles dies schon einmal erlebt zu haben. Aber was hinderte ihn daran, den dünnen Schleier zu zerreißen, der noch über seiner Vergangenheit lag?
    Erst eine sanfte Berührung schreckte ihn auf. Zitternd deutete Mistra nach vorne. »Es sind Besessene«, sagte sie mit brüchiger Stimme. »Sie werden uns töten.«
    Mythor zögerte jedoch.
    Und dann waren sie heran und stürzten sich auf ihn. Mistra schrie gellend auf, als sie vom Pferd herabgezerrt wurde. Mythor schlug die nach ihm greifenden Hände zur Seite. Jetzt bedauerte er, seine gesamte Ausrüstung bei den Stummen Großen zurückgelassen zu haben. Er war einzig und allein auf die Kraft seiner Fäuste angewiesen und auf seine Geschicklichkeit. Doch gegen diese wilde Horde, die sich gierig auf ihn stürzte, konnte er nicht bestehen.
    Sein Pferd scheute und schlug aus. Einige der Angreifer wurden von den Hufen getroffen und sanken zu Boden. Aber die Wut der anderen verdoppelte sich dadurch nur noch.
    Hark schien verschwunden – von einem Augenblick zum anderen.
    Mythor rief nach Mistra, erhielt jedoch keine Antwort. Mit den Ellbogen hielt er sich die Gegner vom Leib, vermochte aber dennoch nicht zu verhindern, dass sie ihn ebenfalls aus dem Sattel holten. Dann waren sie über ihm. Er sah in entstellte Gesichter, hohlwangig und mit tief in den Höhlen liegenden Augen. Es waren ausgemergelte Gestalten, doch gerade diese Entbehrungen ihres Lebens schienen ihnen Kraft zu geben.
    Und Mythor sah noch etwas anderes. Inmitten der Horde gab es auch etliche mit vernähten Mündern. Sie trugen keine Gesichtsschleier. Ihre Blicke brannten wie Feuer – genauso sengend wie die
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