Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ueberwaeltigend

Ueberwaeltigend

Titel: Ueberwaeltigend
Autoren: Emma Green
Vom Netzwerk:
1. Wiedersehen
    Ich weiß nicht, wie lange ich die Tapete des kleinen Büros meiner Eltern angestarrt habe, den Blick ins Nichts gerichtet und mit Tränen in den Augen. Auch einige Minuten nach diesem vernichtenden Anruf von Gabriel ist seine Stimme in meinen Gedanken noch immer omnipräsent. Sein ersticktes Schluchzen hat mich völlig fertiggemacht, ich weiß nicht mehr, wo ich bin, weder auf welchem Planeten noch in welcher Dimension. Seine Worte haben sich wie ein Urteil angehört. Er liebt mich, aber ich bin mir sicher, dass er Eleanor auch noch immer liebt. Ich sollte mich dafür schämen, so naiv gewesen zu sein und gedacht zu haben, dass ich ihm genügen würde und ihn das Wiedersehen mit seiner wiederauferstandenen Verlobten nicht vollkommen aus der Bahn werfen würde. Ich sollte schreien, kämpfen, ihn zurückrufen und dazu zwingen, mir mehr zu sagen, aber meine Kräfte haben mich verlassen. Plötzlich öffnet jemand die helle Holztür und meine Schwester stößt einen erstaunten Schrei aus, als sie mich total niedergeschlagen am Boden vorfindet.
    „Amandine, was ist jetzt schon wieder los? Wir warten bereits seit einer halben Stunde auf dich!“
    „Gabriel und … Eleanor …“, sage ich, ohne dass es mir gelingt, mehr als drei Worte aneinanderzureihen.
    „Hat er sie gefunden?!“, fragt mich meine Schwester mit einem Funken Neugier in ihrem Blick.
    Ich dachte, sie würde sich Sorgen machen, wenn sie mich tränenüberströmt auf dem Boden sitzend vorfindet, aber mir wird klar, dass ich mich scheinbar in ihr getäuscht habe. Camille ist weder gleichgültig noch egoistisch, sie weiß einfach nicht, wie sie in solchen Situationen reagieren soll.
    Mich in die Arme nehmen und trösten wäre zumindest schon ein guter Anfang …
    „Ja.“
    „Sie oder ihre Spur? Hat er sie getroffen? Sie berührt?“
    „Camille, du bist mir keine große Hilfe …“
    „Wenn du mir nicht alles erzählst, kann ich dir auch nicht helfen, kleine Schwester …“, sagt sie sanft, während sie sich neben mich auf den grauen Teppichboden setzt.
    „Er hat mir auch nicht mehr gesagt. Nur dass er sie gefunden hat … und verloren ist.“
    „Verloren? Willst du damit sagen, dass er sich nicht sicher ist? In Bezug auf dich? Das ist typisch Mann … Sie können sich einfach nicht entscheiden.“
    „Camille …“, stammle ich flehend, damit sie endlich damit aufhört, Salz in meine Wunde zu streuen.
    „Amandine, ich schwöre dir, wenn er dich ihretwegen verlässt, dann … dann …“
    „Es reicht! Camille, es ist Zeit, dass wir Amandine nach Hause bringen!“, unterbricht sie Silas, der aus dem Nichts aufgetaucht ist.
    Dieses wunderschöne Gesicht zu sehen, das Gabriels Gesicht beinahe wie ein Ei dem anderen gleicht, gibt mir den Rest. Ich breche in Tränen aus, unfähig, dieser Welle der Traurigkeit standzuhalten, die über mir zusammenbricht. Gabriels Zwillingsbruder hebt mich hoch und trägt mich zu seinem Auto, während meine Schwester sich darum kümmert, meinen Eltern Bescheid zu geben und meine Sachen einzusammeln. Während der Autofahrt spricht das Paar kein Wort, tauscht jedoch mitfühlende Blicke aus. Als ob sie wüssten, dass mein Schicksal besiegelt ist, meine Liebesgeschichte ein jähes Ende gefunden hat, Gabriel eine Entscheidung getroffen und Eleanor ihn für sich gewonnen hat.
    Seit zwei Tagen mache ich bereits kein Auge zu. Ich bin nicht arbeiten gegangen, wollte niemanden sehen und habe fast keinen Bissen hinunterbekommen. Ich habe Stunden damit verbracht, auf die Bildschirme meines Handys und meines Computers zu starren, aber es hat sich nichts getan. Ich nehme es Gabriel äußerst übel, so verschwiegen zu sein, mich aus allem herauszuhalten und mir dieses Leid nicht zu ersparen. Es gibt nichts Schlimmeres als Ungewissheit und Zweifel.
„Ich weiß es nicht … Ich weiß gar nichts mehr.“
: Diese verfluchten Worte schwirren unaufhörlich in meinen Gedanken umher, als ob sich jemand dazu entschlossen hätte, mich zu quälen und immer wieder die „Repeat“-Taste zu drücken. Und mir wird auf bittere Art und Weise bewusst, dass dieser jemand Mr. Diamonds höchstpersönlich ist. Der Mann, den ich über alles liebe, behandelt mich, als wäre ich ein absoluter Niemand … Und ich verlange nach mehr.
    Ein Déjà-vu-Erlebnis …
    Marion versucht ununterbrochen, mich zu erreichen, seit Camille ihr die Situation erklärt hat. Ich habe widerstanden, habe auf keinen ihrer Anrufe und auf keine ihrer SMS
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher