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Stadt der Schuld

Stadt der Schuld

Titel: Stadt der Schuld
Autoren: Eva-Ruth Landys
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Behörde gestalteten sich die ersten Jahre ausgesprochen schwierig. Scotland Yard hatte einen schweren Stand und große Mühe, sich als bezahlte Polizeitruppe zu legitimieren – sowohl aus Sicht der Bevölkerung wie vonseiten des Establishments. Immer wieder gab es sogar aus dem Innenministerium stammende Intrigen gegen die Behörde zu verkraften. Kein Wunder, dass schlechte Presse bei Scotland Yard sehr gefürchtet wurde. Nichtsdestotrotz begann man nach knapp zehn Jahren überall im Land weitere Polizeistationen nach dem Vorbild der Metropolitan Police einzurichten, zunächst in den Großstädten wie Manchester und Birmingham, dann sukzessive auch auf dem Land. Stadt der Schuld spielt in der Umbruchszeit der Behörde von einer städtischen zu einer landesweiten Behörde und so erklärt es sich, dass beispielsweise in Portsmouth noch keine eigene Polizei vorhanden war. Die Hafenbehörden gab es jedoch schon seit den Tagen Georgs II. – eine Maßnahme, die hauptsächlich der Schmuggelbekämpfung geschuldet war.
    Straftaten durften von jedem Bürger bei der Polizei gemeldet werden. Kurioserweise konnte aber kein Polizeibeamter kraft seines Amtes Anzeige erstatten. Dies tat er immer als Privatmann und erwies sich die Beschuldigung als unhaltbar, stand er in der Gefahr, wegen übler Nachrede selbst vor Gericht gestellt zu werden. Gleichzeitig war Spionage ein todeswürdiges Vergehen. England fürchtete nichts mehr als Wirtschaftsspionage und das als führende Wirtschaftsmacht zweifellos zu Recht. Ärgerlicherweise fielen aber auch verdeckte Ermittlungen in gewisser Weise unter den Begriff der Spionage. So standen private und auch polizeiliche Ermittler immer mit einem Bein im Gefängnis oder wurden zumindest mit kritischem Argwohn betrachtet.
    Dies änderte sich für polizeiliche Ermittlungen erst, als 1842 offiziell eine spezielle Detektiv-Abteilung bei Scotland Yard eingeführt wurde.
    Unsere Protagonisten Cathy und Aaron haben auf der Flucht vor Isobels Rache in der damals am schnellsten anwachsenden Stadt Europas Unterschlupf gefunden. Die Bevölkerung Manchesters wuchs in den Jahren zwischen 1830 und 1870 um das Neunfache auf über 630.000 Einwohner, und dabei handelt es sich lediglich um die offiziellen Zahlen. Vermutlich lag die Anzahl der dort Arbeit Suchenden, die letztlich in den Slums Manchesters strandeten, noch deutlich höher.
    Manchester war in der Tat die Stadt des schnellen Geldes, der großen Geschäfte und der fieberhaften Produktion. Schnell war es im 18. Jahrhundert das Zentrum des Baumwollhandels und der Baumwollproduktion geworden, angestoßen durch den Erfinder und Unternehmer Richard Arkwright (1769; zusammen mit John Kay, Erfindung des Water Frame, eine mit Wasserkraft betriebene Spinnmaschine). Dazu kam bald die universell einsetzbare Dampfmaschine 1783 von James Watt, die eine Wasseranbindung der Produktionsstätten entbehrlicher machte und so zu einem ungehinderten Ausbreiten der Industrie führte. Um 1830 brach die Heimwebindustrie unter dem großen Druck der industriell gefertigten Stoffe endgültig zusammen, was die Zunahme der Großindustrie noch beschleunigte. Der Erfolg zog auch ausländische Investoren an. Zur Zeit dieses Romans lebten über 10.000 Deutsche in Manchester, darunter auch Friedrich Engels, der Sohn eines Wuppertaler Industriellen, der dort in der familieneigenen Fabrik das Handwerk des Geschäftsführers erlernen sollte. Die schrecklichen Lebensumstände der Arbeiter und insbesondere der irischen Bevölkerung wühlten den jungen Mann stark auf. So schrieb er in der Zeit zwischen 1842 und 1843 das im März 1844 auf Deutsch und später auch auf Englisch erschienene Buch Die Lage der arbeitenden Klassen in England. In der historischen Forschung gilt das Werk heute noch als zutreffende Analyse der industriellen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts. Mit Recht wählte Engels darin den Begriff des sozialen Mords zur Beschreibung der unerträglichen Lebensumstände der Arbeiter. Kurz darauf verfasste er bekanntlich zusammen mit Karl Marx, einem ebenfalls in Manchester lebenden Deutschen, das kommunistische Manifest. Angesichts der herrschenden Umstände eine nachvollziehbare, wenn auch sehr einseitig orientierte Staatstheorie.
    Betrachtet man zudem die Tatsache, dass in den gleichen Jahren in ebendieser Stadt andere miteinander konkurrierende Gesellschafts- und Wirtschaftstheorien entstanden und aufblühten (Chartismus, Freihandelslehre), so erscheint Manchester geradezu als
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